Lieber Hl. Bischof Gellert,
wir beide haben eines gemeinsam - nicht nur den Namen: Wir sind beide nicht mit der Missa Tridentina, der "Alten Messe" aufgewachsen. Dabei dürfte sie dir wohl vertrauter vorkommen als mir: Die lateinische Sprache, die Riten, der Ablauf - das Trienter Konzil hat knapp 500 Jahre nach deinem Tod die Liturgie geordnet und dabei auf dem Bestehenden aufgebaut.
Mir war diese Messform fremd. Ja, sie war mir verdächtig. das wurde mir so beigebracht: In meinem Studium - man wagt es kaum zu sagen - gab es die Kirche vor "dem Konzil" so gut wie nicht. Klar: Mit "dem Konzil" ist natürlich das zweite Vaticanum (1962-65) gemeint. Klar: Wir haben in Kirchengeschichte natürlich ach etwas über die frühen Konzilien wie Nicäa und Chalcedon gehört. Aber danach war Schluss. Seltsames Schweigen breitet sich aus über Jahrunderte Kirchengeschichte - zumindest über das, was die Kirche an Gutem, an Schönem und Lebendigem hervorbrachte. Kreuzzüge und Inquistion, das wurde noch erwähnt.
Ansonsten lag alles vor 1965 im dunklen kirchlichen Mittelalter. Und vorkonziliar war in meinem Studium keine Zeitangabe, sondern ein Wertung, fast schon ein Schimpfwort.
So bin ich in der Kirche aufgewachsen und habe nie etwas anderes gelernt. Mein Ziel war folglich die Beteiligung aller im Gottesdienst, das (Mit)machen, die ansprechende Katechese, für die ich alles Mögliche auffuhr: Kein Sekundärsymbol war mir zu schade und was habe ich nicht alles in den Altarraum geschleppt! Erstmals nachdenklich wurde ich, als ich am Pfarrfest einen Korb mit gasgefüllten Luftballons an die Decke schweben ließ - das "kam super an"! Aber im Gottesdienst schaute dann jeder nur noch nach den in der Kirche schwebenden Ballons und die Eucharistie wirkte irgendwie "angehängt". Dabei ist sie doch das zentrale Ereignis. Nicht unser Handeln ist gefragt, sondern Gott handeln zu lassen. In der orthodoxen Liturgie tritt der Diakon zu Beginn des Hochgebetes an den Priester heran und spricht: "Es ist Zeit, Gott handeln zu lassen!".
Ich bin kein Bekehrter, dafür hätte ich die Missa Tridentina kennen müssen. Und am Anfang war ich sehr skeptisch: Alle diesbezüglichen Vorurteile waren auch meine: das Volk zur Passivität verdammt, die Sprache unverständlich, und dann der immer wieder auftauchende Satz: Da beten alle doch nur Rosenkranz!
Inzwischen bedauere ich, dass ich aus zeitlichen Gründen die "Alte Messe" kaum besuchen kann. Aber ich schätze sie: Denn hier muss ich nichts "machen". Ich werde auch nicht von einem Pfarrteam mit Knalleffekten durch die Liturgie getrieben - man entschuldige diese drastische Ausdrucksweise, aber manchmal empfinde ich das eben so, denn Takt, Rhythmus und Inhalt der "normalen" Liturgie werden von denen bestimmt, die im Altarraum sind. Die neue Messe ist wie ein Orchester, das ständig gemeinsam spielt.
Nein, die "Alte Messe" lässt mir Freiraum. Ich kann bei mir bleiben, beim Schuldbekenntnis innehalten und nachdenken. Beim Tagesheiligen. Und auch beim Rosenkranz, wenn ich das möchte und brauche. Die Alte Messe erscheint mir wie viele Solisten, die gemeinsam beginnen, dann aber in ihren eigenen Rhythmus fallen dürfen. Und da kann ich dann auch der lateinischen Sprache etwas abgewinnen, denn sie lenkt mich in meinen Gedanken nicht ab. Und schließlich gibt es diesen Moment, an dem alle zusammen geführt werden, wenn alles in die Opferhandlung hineinmündet.
Das Wohltuende: Diese Form macht auf wunderschöne Weise deutlich, dass Gott handelt und nicht der Mensch. Sie ist zeitlos, muss nicht immer dem Zeitgeist hinterher hinken und versuchen, durch noch fetzigere Angebote und Aktionen Menschen anzusprechen. Sie spricht an durch die Würde und Feierlichkeit und durch ihre Symbole und Riten.
Da hat ein bedeutender Kardinal doch gesagt: Diejenigen, die "an ehrwürdigen unveränderlichen Formen hängen, durchschauen nicht deren geschichtliche Bedingtheit". Heute sind die Formen sehr veränderlich geworden: Mit jedem neuen Priester, der in einer Gemeinde aushilft, stellt sich immer wieder die Frage: Wie feiert der die Messe? Wie teilt der Kommunion aus? Und immer wieder erlebt man gerade als Diakon neue Überraschungen. Immer wieder erlebt man Priester, die meinen, das Rad neu erfinden zu müssen, anstatt einfach das zu tun, was im Messbuch steht. Wenn die „geschichtliche Bedingtheit“ das Kriterium ist, an dem wir unsere Liturgie ausrichten, dann ist morgen die Heilige Messe von heute schon Geschichte.
Und ich werde nachdenklich: In nur 50 Jahren nach „dem Konzil“ hat sich die Form schon viel öfter verändert, als in den 500 Jahren davor. Die geschichtliche Bedingtheit diktiert uns immer kürzere Rhythmen der Anpassung an neue Formen.
Beide Formen haben ihren Wert, es mag Zeiten geben, in denen die „alte“, Zeiten, in denen mich die „neue“ Form anspricht. Aber das wesentliche muss doch sein: Dass die Liturgie zum Ausdruck bringt, dass es um Gottes Handeln und nicht um menschliches Machen geht. Im Mittelpunkt steht das Heilige, steht Gott.
Dass wir das nicht verlieren, dazu sende ich ein Stoßgebet zum Himmel: Hl. Gellert, hilf!
Danke - spätestens nach diesem Beitrag ist mir klar, dass Du auf meine Leseliste musst - danke! Und diesen Satz hier "Beide Formen haben ihren Wert, es mag Zeiten geben, in denen die ,alte', Zeiten, in denen mich die ,neue' Form anspricht. Aber das wesentliche muss doch sein: Dass die Liturgie zum Ausdruck bringt, dass es um Gottes Handeln und nicht um menschliches machen geht. Im Mittelpunkt steht das Heilige, steht Gott.", den werde ich zitieren - mit Quellenangabe! Stimme total zu! DANKE!
AntwortenLöschendanke für diese sanfte darstellung, äußerst gelungen. ohne polemik (was mitr nicht immer gelingt) sondern eben nachdenklich.
AntwortenLöschensicher ist das schon der fürsprache dieses heiligen zu verdanken.
war heute abend als "normaler" gottesdienstbesucher in einer messe (NOM). und habe gedacht, wie angenehm es ist, einmal den eignen gebeten und gedanken nachzugehen.
wieviel mehr raum lässt die "echte" messe dafür!
Ich kann jeden Satz in diesem Text unterschreiben, besonders auch die Zeilen über die Ausbildung. Das ist bei mir jetzt ungefähr 10 Jahre her und mir scheint, damals war ich mutiger als heute!
AntwortenLöschenBin erst jetzt dazu gekommen, diesen Post zu lesen. Wirklich sehr gut. Auf meiner Leseliste bist Du sowieso.
AntwortenLöschenGute Gedanken! Unsere "alte" Messe, die einmal im Monat gefeiert wird, ist der (!)Familiengottesdienst unserer Seelsorgeeinheit. In keinem sonstigen Gottesdienst ist der prozentuale Anteil an Familien derart hoch, auch nicht in ausdrücklich so genannten Familiengottesdiensten. Wir gehen als Familien dahin, weil wir wollen, dass unsere Kinder das Heilige spüren, weil wir wollen, dass unsere Kinder den anbetenden Aspekt der Liturgie kennenlernen und ihn einüben sollen. In normalen Gottesdiensten fällt dies Kindern leider nicht leicht, in Familiengottesdiensten geht es oft um irgendwelche Unterhaltungseffekte, die ich für meine Kinder schädlich halte.
AntwortenLöschenDas ist wirklich schön geschrieben!
AntwortenLöschenViele gehen lieber in die alte Messe - wenn sie sie erst einmal kennengelernt haben, unserer Generation versucht man dieses Heilige ja vorzuenthalten :-(