Lieber St. Gellert (Gerhard),
da du ja mein Namenspatron bist, kann ich dir ja mal so meine Gedanken anvertrauen. Berührt vom Brandbrief einer 15jährigen Schülerin zum Religionsunterricht (http://kath.net/detail.php?id=27386), habe ich mir schon so meine Gedanken zum RU gemacht. Zudem ich nun ja auch in der Verantwortung stehe und einen Referendar begleite. Da fragt man sich schon: Was bringt's? Und: Was habe ich denn selber davon gehabt?
Nun gehöre ich - trotz kirchlicher Schullaufbahn - leider auch zu denjenigen, bei den der RU ein "Laberfach" war: Am Ende wusste ich mehr über Drogen und Sekten, über die fünf Säulen des Islam, den Hinduismus und Buddhismus, als über den katholischen Glauben. Aus heutiger Sicht ist mir völlig unverständlich, wie wir in der Oberstufe uns hauptsächlich mit Religionsphilosophie und Religionskritik befassen konnten, wenn wir doch von unserer Religion kaum Ahnung hatten.
Nun - seit Jahren selber als Religionslehrer tätig - dämmert mir so manches: Es gab da einen Bruch, als wir in den 70er Jahren der Welt beweisen zu wollten (mussten?), dass der RU sinnvoll und lebenspraktisch ist. Plötzlich musste jede Stunde aus sich heraus korrelativ sein, musste direkt was mit dem Leben der Schüler zu tun haben. Die Folge: Lehrpläne, deren Aufbau jede Systematik vermissen lässt. Lehrpläne, deren Struktur eher einem Schweizer Käse gleicht. Man springt von einem Thema zum nächsten, immer in der Hoffnung, etwas zu finden, was die Schüler aktuell anspricht.
Dabei bleibt die kontinuierliche Vermittlung grundlegender, zusammenhängender Glaubensinhalte auf der Strecke. Bezeichnend ist, dass es z.B. (zumindest in Hessen) keine zusammenhängende Einheit über das Leben Jesu gibt. Immer nur ein bisschen Weihnachten , ein bisschen Ostern, hier und da mal das Thema Gleichnisse, später dann Wunder, und irgendwo dann auch mal Reich Gottes. Und dazwischen alles andere: Von Mohammed bis Moses, Abraham bis Maria.
Mein Referendar soll in 12 Stunden das Thema "Taufe & Firmung" durchnehmen - dabei fehlen vielen Schülern die Grundlagen. Wie kann man sich zu Christus bekennen, wenn man gar nicht weiß, wer das ist?
Umdenken tut not: Mut der Lehrer, das zu tun, was notwendig, d.h. sich auch mal vom Lehrplan zu lösen, um Grundlagen zu erarbeiten. Mut, das Katholische in den Vordergrund zu stellen und sich auch mal dem Zeitgeist zu widersetzen: Warum eine Mosche oder Synagoge besuchen, wenn meine Schüler kaum wissen, wie eine Kirche von Innen aussieht? Aber dafür bräuchten wir auch Lehrer, die voll und ganz hinter dem stehen, was sie verkünden sollen. Und das - so kann man die Reaktionen auf den o.a. Brief deuten - scheint heutzutage Mangelware. Allzu oft sind gerade die Religionslehrer diejenigen, die mit der Kirche und ihrer Lehre am kritischsten ins Gericht gehen, statt den Schülern die Schönheit des Glaubens und der Kirche nahe zu bringen.
Da lobe ich mir meinen Namenspatron, der den Glauben der Kirche mutig und standhaft bezeugte.
St. Gerhard hilf!
Nur nicht den Mut verlieren: Wenn man dann tatsächlich auch beginnt, von der "Seligkeit getauft zu sein" und der Schönheit des Glaubens zu reden, wenn man den Mut hat, das auch persönlich vorzuleben (Gebet), dann öffnen sich so manche Türen und erlebt man so manches Wunder!
AntwortenLöschenAus der Sicht eines Referendaren:
AntwortenLöschenIch studierte Theologie, weil ich den Schülern den Glauben nahe bringen wollte. - Ich lernte, dass ich das nicht darf. Es sei im Gegenteil mein "Pflicht" im Religionsunterricht alle Weltanschauungen so zu lehren, dass die Schüler umfassend informiert sind und am Ende der 10. Klasse sich argumentativ für eine oder auch keine Religion entscheiden können. Und bitte keine Katechese! Die "gute" Würzburger Synode hat doch schließlich die Katechese vom Religionsunterricht getrennt!
Ich war der Überzeugung, dass der Glaube meiner Kindheit richtig ist. Für mich hatte Mose die 10 Gebote wirklich von Gott erhalten und diese hatten auch Verbindlichkeit für mich heute. Ebenso war ich der festen Überzeugung, dass Jesus wirklich die Wunder gewirkt hat, wie sie in den Evangelien stehen, oder dass Maria Jungfrau ist und natürlich auch bei ihrem Sohne unterm Kreuze stand. - Das Studium erzog mich zum Atheisten - wenigstens für 4 Semester. Ich lernte im Studium, dass das alles Humbug ist. Die 10 Gebote hat Mose nie von Gott erhalten. Amos war es der das moralische Verhalten der Juden schriftlich fixieren wollte und bei der Kanonisierung des ATs wurden sie dem Mose aufs Auge gedrückt. Sowieso haben die 10 Gebote keine Verbindlichkeit, denn jede Zeit muss für sich aufs neue erst definieren was darunter zu verstehen ist. Jesus hat keine Menschen geheilt. Alle Wunderheilungen sind medizinisch erklärbar. Wie bitte, Maria soll ewige Jungfrau sein? Sie soll unterm Kreuz gestanden haben? Das ist doch lächerlich! Die Jungfrauenschaft Mariens MUSS doch theologisch und nicht biologisch interpretiert werden (steht also für einen Neuanfang) und Maria kann nie unterm Kreuz gestanden haben, die Distanz Bethlehem - Jerusalem war in so kurzer Zeit (zw. Erfahrung + Vollstreckung des Urteils) zu Fuß nicht zu bewältigen. Ach ja, die Himmelfahrt Jesu gibts auch nicht. Dies ist eine Vision aufgrund der Trauerbewältigung der Jünger.
Dass man als Christ nach so einem Studium noch Glauben kann ist Gnade. Während des Studiums lernte ich den Glauben zu vertreidigen.
Dann kam das Referendariat:
Von den Eindrücken der wissenschaftl. Arbeit der Uni geprägt, sagte ich auch hier was kath. ist und was nicht. Zum Leidwesen meines Fachleiters und zu Lasten meiner Noten. Es ist also im Referendariat tödlich, ja, glatter Selbstmord, wenn man versucht oder versuchen würde Katechese zu betreiben.
Mir gab jemand - viel zu spät - den Rat:
"Links blinken und später rechts abbiegen!"
Sobald ich diese Examensprfg. hinter mir habe, die Möglichkeit also gegeben ist ohne Gefahr im Religionsunterricht den Schülern auch Glaubenswahrheiten beizubringen, dann werde ich dies mit Freude tun. Vorher ist es riskant.
Perpetua79
Das ist natürlich sehr bestürzend: Religionslehrer, die eine kirchliche Missio haben - und dann nur noch Religionskunde unterrichten, am besten auch noch ergebnisoffen und bekenntnisfrei. Ich habe ähnliches erlebt: Da wird der Unterricht einfach mal im Klassenverband erteilt, weil "wir doch eh alle an den gleichen Gott" glauben - incl. Moslems und sonstige. Und für konfessionelle Unterschiede hat schon gar keiner mehr Verständnis. Eltern, die ihr verfassungsmäßiges Recht auf konfessionellen RU geltend machen, werden als Störfaktor und Ultrakonservative betitelt. Und so mancher Relilehrer ist dankbar, wenn seine Stunden ausfallen: Religionslehrer, die ihr eigenes Fach nicht mehr ernst nehmen und oftmals die größten Kritiker der Kirche sind.
AntwortenLöschenUnd dennoch: Nur Mut! Der Unterricht ist auch eine Chance: Die Kids fordern unseren Glauben heraus. Ich lerne soviel von denen, weil sie mich "zwingen" eine Sprache zu finden, die den Glauben verständlich macht und mit der man ihn nahe bringen kann. Und sie sind dankbar: Für jedes Gebet, für jeden Segen, für jedes gute Wort und auch für das Katholische. Labern war gestern, heute wollen die Kids tatsächlich auch noch was lernen.
Also: Nicht entmutigen lassen!
Sicher fordern die Schüler einen auch heraus, aber erst in Klassenstufen, in denen auch halbwegs zivilisierte Gespräche möglich sind - also ab der 8. Klasse aufwärts.
AntwortenLöschenDavor sind sie anstrengend, fordern alle Geduld die man aufbringen kann ab und üben sich in einer Sprache, die einem teilweise die Röte ins Gesicht treibt oder einfach nur sprachlos daneben stehen lässt.
Vermutlich ist das Verhalten, die Eigenmotivation im Reliunterricht teilzunehmen, mit bedingt von dem Landstrich und im tiefsten Ruhrgebiet ist davon nichts zu spüren. :-(
Das ist jetzt insofern lustig, weil es bei uns in der achten Klasse keinen RU gibt. Die Einführung scheitert u.a. auch daran, dass so mancher Lehrer der Meinung ist, in der achten Klasse "stehen die Kids doch total neben sich", "sind voll am Pubertieren" - "das will sich doch keiner antun". Von zivilisierten Gesprächen ab der achten Klasse aufwärts hält man von der Lehererseite aus gar nichts.
AntwortenLöschenDabei müssten wir doch gerade dann unterrichten, eben weil die Kids so neben sich stehen und somit Orientierung brauchen. Oder einen Felsen, an dem sie sich reiben können.
Niemand sagt, die Sache sei einfach - hat Jesus uns nicht mitten unter die Wölfe gesandt? ;-)
Aber es lohnt sich.
Klar hat Jesus das getan. Aber der Herr predigte "nur" jenen, die ihm freiwillig zuhörten. Wir haben SuS vor uns, die "kein Bock" auf Reli haben, die "Gott, voll blöd" finden und die alles tun, um den RU zu stören, weil sie von den Eltern "gezwungen" werden daran teilzunehmen.
AntwortenLöschenIch bin dafür, dass der RU von der 5. bis zur 7. Kl. gestrichen wird. Anstelle des RUs sollte es ein Unterricht geben, in dem die SuS ethisch-moralischen Fragen nachgehen und in dem sie wirklich wieder Benimmregeln erlernen. Beginnend bei der Sprache (was ich im Ref. an Ausdrücken gelernt habe - unfassbar), über das Verhalten beim Essen und generell bei zwischenmenschlicher Interaktion. Ebenfalls sollte gelernt werden, wie man mit fremden Eigentum umgeht, wie Tiere zu behandeln sind und Gesprächsregeln müssten gepaukt werden, bis zum umfallen. Wenn die Kinder alt genug sind, um sich für die Firmung zu entscheiden, sind sie auch alt genug, um RU zu bekommen und dann einen RU der vollgespickt ist mit Katechese.
Für die SuS, die bereits während der unteren Klassen eine Sehnsucht oder Neugier an religiösen Themen verspüren, sollte es AGs geben. Da hätte man als Lehrer die Sicherheit, dass es diesen SuS ernst ist und dann könnte man dort ebenfalls schon Katechesen halten.
So ein Vorschlag mag befremdlich aus dem Munde eines gläubigen LAAs klingen, aber ich komme soooo selten zum unterrichten in den unteren Klassen. Mehr als 3/4 des RUs gehen im Schuljahr für Streitschlichtungen usw. drauf. Da verliert man irgendwann wirklich die Freude am RU. Daher diese Idee die ich mich nicht trauen würde meinem Bischof zu sagen. Obwohl, wenn der mal ne Woche dort unterrichten müsste, evtl. gäbe es doch Verständnis, Mitleid und Nachsicht. ;-)
Perpetua79
Wenn sie auf Religion keinen Bock haben, dann auf Ethik und Knigge auch nicht. Schade. Ich glaube fest daran, dass vieles an der eigenen Persönlichkeit liegt: Die SuS müssen spüren, dass man sie wertschätzt und sich um jeden einzelnen bemüht. Und sie müssen spüren, dass mir der Glaube so wichtig ist, dass ich ihn an sie vermitteln möchte. Ich halte mich mit Streitschlichtereien und all diesen Klassenregeln nicht auf: Das sollen die Klassenlehrer machen. Ich unterrichte Religion, ich bete, ich arbeite mit den Kids und ich segne sie, wenn sie es wollen. Wer käme auf die Idee, Deutsch,. Mathe oder GL zu streichen, nur weil die Kids die sozialen Grundregeln nicht beherrschen? Die Kunst besteht darin, das eine zu fordern ohne das andere zu lassen, d.h. einen RU in einer Atmosphäre zu halten, die dem RU auch angemessen ist. Das kann man als Anfänger kaum hinbekommen, aber deshalb als LAA alles streichen zu wollen, ist fatal. Erinnert mich an die Legende des Hl. Petrus, als er aus Rom flüchtete und auf der Via Appia dem Herrn begegnete und ihn fragte: Quo vadis Domine? Und der Herr antwortete: In die Stadt, um mich erneut kreuzigen zu lassen!
AntwortenLöschenNicht falsch verstehen: Ich rufe nicht zum Märtyrertod auf, aber dennoch zum Vertrauen auf Gottes Wirken - und der schließt die 5. bis 7. Klasse ja auch nicht einfach aus.
Heute abend nur eine (sehr müdes) hallo. Hab Dir einen Platz auf meiner Bloglist eingeräumt.
AntwortenLöschenDas Quo vadis ist natürlich ein Argument, an dem ich nicht vorbeikomme - auch nicht als LAA der noch in vielen Dingen unerfahren ist und deshalb schneller aus der Ruhe zu bringen ist.
AntwortenLöschenMit den Kindern zu beten habe ich versucht - es war ein Erlebnis, auf das ich gerne verzichte.
Die SuS zu segnen ist mir noch nie in den Sinn gekommen, für sie zu beten schon, aber selbst zu segnen? Ich glaube, dass ich mich sowas nicht traue. Ich wäre die Witzfigur der Schule - vermutlich auch im Lehrerzimmer. Vielleicht traue ich mich sowas später mal, wenn ich älter bin, mehr Praxiserfahrung habe und ich mich nicht so schnell verunsichern lasse.
Mich würde interessieren, wie Sie das hinbekommen. Wie ist es möglich die zahlreichen U.störungen zu ignorieren und einfach Unterricht zu machen? Wie geht das, wenn die SuS von Beginn an einen ignorieren, reinrufen, Ermahnungen nicht ernst nehmen, immer das letzte Wort haben wollen usw.? Ich stehe ohnmächtig, verzweifelt und hilflos in solchen Augenblicken vor der Klasse und hinterfrage jedesmal, ob es so klug war dieses Fach zu wählen.
Perpetua79
PS: Irgendwann kriege ich schon noch heraus, wie ich diesen Nickname eingeben kann, so dass ich nicht jedesmal damit unterschreiben muss. :-)
Eigentlich wäre eben genau das die Aufgabe des Mentors: einen Lernraum zu schaffen, der es Ihnen ermöglicht, Religion zu unterrichten. Wenn ein Mentor einen LAA in eine Klasse schickt, in der die grundlegenden sozialen Kompetenzen nicht vorhanden sind und es nur noch drunter und drüber geht, dann ist das unverantwortlich. Wenn der größte Teil einer Stunde mit Dompteurübungen draufgeht, dann ist man im Zirkus und nicht in der Schule.
AntwortenLöschenGleichzeitig liegt jedem Neuanfang auch ein Zauber inne (Hesse wäre stolz auf mich...). Will sagen: Das Entscheidende passiert in den ersten Stunden. Und da hängt viel davon ab, wie ich starte und wieweit ich von Anfang an so auftrete, dass die Kids merken und wissen, wo ich meine Grenzen ziehe. Aber das geht auch nur, wenn der Mentor mitzieht.
Tja, leider hat mein Mentor dies versäumt, weil die SuS sich bei ihm auch so verhielten. Im BdU gings dann bei mir so weiter, jedenfalls in 5/6. In 7/8 (wir unterrichten Jahrgangsübergreifend, weil wir zu wenig SuS haben) war es teilweise mit "Unterricht" zu vgl. :-) 9/10 hatte dann mein Mentor.
AntwortenLöschenDen Neuanfang starte ich dann, wenn ich mein Ref. hinter mir habe und an eine andere Schule wechsel. Werde mir bis dahin ein gutes Konzept überlegt haben. :-)
PS: Habs herausgefunden :-)