Samstag, 1. Januar 2011

Jungfrau und Gottesmutter Maria

Der Hausherr persönlich neigte sich an Weihnachten zu mir und sagte: Ich habe da mal eine theologische Frage!

Er selbst bezeichnet sich als gläubig, nicht praktizierend evangelisch, agnostisch. Glaubt schon an ein höheres Wesen, aber das Bodenpersonal gefällt ihm nicht. Dennoch: In all den Jahren habe ich ihn als einen sehr interessierten Gesprächspartner erlebt. Fair im Umgang, nicht verletzend. Wenn er fragt, dann will er wirklich eine Antwort – und zwar eine fundierte.

An diesem beschaulichen Weihnachtsabend im Kreise der Familie lautete die Frage: Was sagt die Kirche denn offiziell zur Jungfrauengeburt? Nun, dazu kann man ja einiges sagen. Bemerkenswert: Das plötzliche Schweigen in der Runde, in der es rein mathematisch unentschieden steht: Drei Agnostiker, Nichtkirchliche, Kultur- und Wertechristen auf der einen Seite des Tisches, auf der anderen die Kirchgängerin, der Diakon und die Gemeindereferentin. Was also sagen? Wo anfangen?

Die Kirche lehrt, dass Maria vor, während und nach der Geburt Jungfrau war. Fertig. Aber das muss man natürlich erklären, will man sich nicht den Vorwurf an den Kopf werfen lassen, die Kirche hätte was gegen Sexualität. Also schiebt man nach: Dass das zunächst eine Aussage über Jesus und weniger über Maria sei. Dass es um die Einmaligkeit Jesu als Sohn Gottes geht. Nun ist der Hausherr aber auch vorgebildet: Da steht im Hebräischen bei Jes 7,14 doch nichts von Jungfrau, sondern eben nur das Wörtchen alma, das man doch in zweierlei Weise übersetzen könne, eben mit „Jungfrau“ oder auch mit „junge Frau“.Und die Septuaginta, die griech. Bibelversion hat sich dann für parthenos (Jungfrau) entschieden – was mittlerweile ja recht bekannt ist. Aber der Ton, in dem das dann vorgetragen wird, klingt so leicht abwertend: Das haben die Übersetzer eben so entschieden, hätte ja auch anders sein können. Ist also nur eine Frage der Sprache.
Und so hat man es auch historisch-kritisch im Studium zu sehen und erklären gelernt: vor allem eben kritisch. Dass es dabei in der Bibel in erster Linie weder um Historie, noch um Kritik geht, wurde leider ausgeblendet. So steht die Kirche mit ihrer Lehre ein wenig altertümlich und verschroben, geradezu verklemmt da. Und nun fragt der modern aufgeklärte Mensch in Person des schon etwas älteren Hausherrn: Gut, wenn ihr unbedingt an dieser göttlichen Zeugung festhalten wollt, warum dann nicht wenigstens durch Josef in Maria? Klingt ja irgendwie logisch, fast schon umgekehrt emanzipatorisch: Wenn schon Gott ein junges Mädchen fragt, ob sie bei der Menschwerdung Gottes mitwirken möchte, dann könnte er doch wenigstens der Gerechtigkeit halber auch Josef fragen. Und dann könnten beide doch miteinander….
Aber wäre das denn ein Weg gewesen? Eines steht fest: Dan Brown, der alte Verschwörungsilluminat hätte daraus ein Riesenbuch gemacht, noch dicker und fantastischer als Sakrileg. Da steht ja nur drin, dass Jesus mit Maria Magdalena eine Familie gründete. Wenn aber schon Josef vorher mit Maria….! Man stelle sich das mal vor: Gut 320 Jahre nach Jesu Geburt kommt der christliche Glaube vollends in der römischen Gesellschaft an, 900 Jahre nach der Geburt werden die Bischöfe in das ottonisch-salische Reichskirchensystem eingebunden, werden Machthaber und Fürsten und schließlich kumuliert das ganze im Investiturstreit 1077 auf der Burg bei Canossa – und just in diesem Moment hätte sich da eine Sippe aus Nazareth gemeldet: Wir sind übrigens die Halbbrüder Jesu. Und da unser Vater Josef das göttliche Kind gezeugt, unsere Mutter Maria diesen Gottessohn geboren hat, sind wir wenigstens Halbgötter, Prinzen im Reich Gottes. Also nicht Papst oder Kaiser, sondern wir sind die Herren der Welt.
Es gilt der alte Rechtsgrundsatz: Mater semper certa - die Mutter ist immer sicher. Und da deren Jungfräulichkeit (im Gegensatz zur männlichen) überprüfbar war, hat Gott gut daran getan, den Hl. Josef aus dieser himmlischen Liebesbeziehung rauszuhalten. Es gibt nur EINEN Sohn Gottes, der durch das Wirken des Hl. Geistes in Maria gezeugt und von Maria geboren wurde. Nicht aus dem Willen des Mannes, nicht aus dem Willen des Fleisches (Joh 1,13), daher ist die Jungfräulichkeit Mariens das Qualitätssiegel des Gottessohnes: Jesus – Made in Heaven. Das ist die weiblichste Seite der Kirche: Durch Maria erfährt die Kirche und insbesondere die Frau in der Kirche eine ungeahnte, unermessliche Wertschätzung: Die Frau (nicht der Mann) war dazu berufen, den Sohn Gottes in ihrem Leib zu formen. Wenn doch nur mehr Frauen in der Kirche sich ihrer marianischen Würde bewusst wären! Aber das ist ein anderes Thema.

Also, fragt der Hausherr: War sie nun Jungfrau oder nicht? Und ich antworte: Wenn man das für ein bloßes theologisches Symbol hält, wie es die historisch-kritische Exegese so kämpferisch behauptet, machen wir dann den unendlich großen Gott nicht unsagbar klein? Dann landen wir schnell bei Drewermann & Co: Alles ist Tiefenpsychologie, alles nur Bilder, Symbole, Metaphern und Archetypen. Da stellt sich die berechtigte Frage: Wo ist die Grenze? Wenn die Jungfräulichkeit nur ein Symbol ist, sind die Wundererzählungen dann auch nur Bilder? Und das Kreuz? Und erst recht: die Auferstehung? Wirklichkeit oder nur ein Symbol für die Sehnsucht nach dem ewigen Leben? Wo fängt die Wirklichkeit an?

Mein Fazit: Wenn man wirklich glaubt, dass Gott der Schöpfer des Universums ist, dass er tatsächlich in Jesus Christus Mensch geworden ist, dass dieser Jesus wirklich Tote erweckt und Kranke geheilt hat, dass er schließlich real am Kreuz gestorben und realiter den Tod besiegt hat – wenn Gott das alles bewirkt hat, dann kann ich nicht glauben, dass Gottes Macht an der Jungfräulichkeit der Gottesmutter scheitern soll. 

5 Kommentare:

  1. Die Erbengemeinschaft wollte man vermeiden und weil man argumentativ nicht weiterkommt, empfiehlt man schlussendlich alles zu glauben. Das überzeugt nicht.

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  2. Genau!
    Wenn Jesu Göttlichkeit, Kreuz und Auferstehung real sind, geht die Jungfräulichkeit Mariens "so durch" ;-)
    ...ich lese jetzt schon länger mit: danke für Deine Gedanken und die immer wieder so gut formulierten Posts!

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  3. in der tat ist es eine frag des glaubens, im übrigen ist die argumentation weit schlüssiger als von "anonymos" unterstellt.
    kleiner tipp: nochmals lesen :)

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  4. Ok, der Dan-Brown-Absatz ist etwas pointiert, aber immerhin auch nicht ganz abwegig.

    Aber das Wesentliche zusammengefasst: Jungfäulichkeit Mariens:
    1. Gewähr, dass Jesus GOTTES Sohn ist (und nicht von Josef)
    2. Gewähr, dass Jesus der EINZIGE Gottessohn ist, eben das Wunder der Inkarnation.

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  5. Wahrer Gott und wahrer Mensch ist Jesus, das geht doch nur durch die Jungfrauengeburt. Ein Mensch und ein Mensch können keinen "Gott zeugen" - der Heilige Geist erbringt den göttlichen Anteil. Maria den menschlichen.
    Nur durch den Glauben an die Jungfrauengeburt ist auch der Glaube an die Göttlichkeit Jesu möglich.

    Im Übrigen liegt die angebliche Verklemmtheit der Kirche und ihrer Lehre (u.a. zur Sexualität) alleine im Auge des Betrachters. Die Vereinigung des Heiligen Geistes mit Maria kommt einer uneingeschräkten Liebesbeziehung mit Gott in allen Bereichen - Körper Geist und Seele - des Menschen Maria gleich: ungeahte Höhepunkte, auf die wir alle hinstreben sollten: Der Höhepunkt unseres Lebens wird die Vereinigung mit Gott sein. Endlich eins sein mit ihm. Das , was uns die Menschen im Zölibat vorleben. Wann verstehen endlich wieder mehr Menschen, wie schön die Liebe mit Gott ist?! Und dass die Ehe und die keusche Sexualität ein in der Welt gelebtes Dasein dessen ist? Marias Jungfräulichkeit ist in keiner Weise gegen Sexualität zu verstehen, ganz im Gegenteil.

    lg
    Märilu

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