Lieber Bischof Gellert,
ich weiß gar nicht, ob es das schon zu deiner Zeit gab. Wohl kaum in dieser Form. Die Sternsinger, wie ich sie kenne, gibt es erst seit 1959. Ich selber war schon als Kind mit den Sternsingern unterwegs. Was war ich stolz, ein König zu sein! Das war etwas ganz besonderes: Nicht jeder durfte die Krone tragen und am mutigsten war natürlich der, der sich schwarz färben ließ. In meiner Heimatstadt St. Wendel, einer sehr katholischen Ecke, gehen die Sternsinger tatsächlich noch von Haus zu Haus. Überall wird geklingelt, überall gesegnet und überall sammeln die Sternsinger Spenden für Kinder in Not. Tagelang waren wir unterwegs. Fast alle Ministranten machten mit. Die Kleinen waren stolze Könige, andere trugen den Stern, die Großen waren stolz, für so groß gehalten zu werden, dass man ihnen eine eigene Gruppe anvertraute, mit der sie dann durch ihre Straßen zogen. Und auch wenn wir Waschkörbe voller Süßigkeiten für unseren Dienst erhielten, so zählte am Ende für jede Gruppe doch am meisten, wie viele Spenden sie erhalten hatte. Das war ein richtiger kleiner Wettbewerb. Rückblickend stelle ich auch fest: Es war für mich ein großer Schritt im sozialen Lernen: Erstmals überhaupt habe ich dabei mit anderen in großem Stil etwas für andere getan. Hut ab vor denen, die mich das lehrten.
Nun ziehen meine eigenen Kinder durch die Straßen und lernen dabei, dass es wichtig und gut ist, sich auch für andere einzusetzen. Sie lernen diesen Schritt von der Krippe in die Welt hinein: Weihnachten muss uns bewegen. Wenn Gott Mensch wird, dann können wir nicht einfach nur fröhliche Loblieder singen, sondern dann muss auch etwas geschehen. Gott wird Mensch und alles bleibt, wie es ist - das geht nicht. Natürlich werden meine Kinder heute Abend Tüten voller Süßigkeiten anschleppen und sich darüber freuen, was ihnen alles geschenkt wurde. Sie werden uns den ganzen Abend von den Besuchen erzählen, wer was getan, gesagt, wer seine Krone in welchem Haus vergessen, wer wann welchen Blödsinn angestellt, oder das Auto mit Weihrauch eingenebelt hat. Aber vor allem wissen sie auch, dass sie den Menschen Gottes Segen brachten - das haben sie gewissermaßen schriftlich, kann man an jeder Tür sehen. Übrigens: Das zieht sich durch das ganze Jahr. Manchmal kommen wir an Türen vorbei und dann steht das groß noch das C+M+B und meine Kinder erzählen dann: "Da waren wir doch! Weißt du noch? Das ist doch der, der dann...."
Sie werden müde ins Bett fallen (hoffentlich) und sich auch darüber freuen, dass sie heute soviel Gutes getan und für Kinder in Not Spenden gesammelt haben. Noch nie hat sich eines der Kinder darüber beklagt, es hätte seine kostbare Ferienzeit verschwendet.
Auch bei uns waren sie heute. Die ganze Königsschar. Wenn im Frühjahr in England die königliche Hochzeit stattfindet und sich der ganze Adel Europas mit den gekrönten Häuptern dort einfindet, dann wird das bestimmt sehr feierlich. Da ist dann auch genau geklärt, wer vor und hinter wem zu gehen hat, denn Adel ist nicht gleich Adel und nicht jede Krone hat denselben Wert.
Bei uns haben sich heute viele gekrönte Häupter eingefunden. Feierlich war es weniger, dafür aber sehr herzlich und lebendig, denn wir haben die Ehre, alle Könige unserer Pfarrei zum Mittagessen einladen zu dürfen. Heute morgen hieß es in der Predigt sinngemäß: Die Sterndeuter gingen auf einem anderen Weg zurück. Sie gingen eben nicht mehr zu Herodes. Das ist auch ein Bild für die innere Wandlung: Gesucht haben sie einen König, gefunden haben sie Gottes Sohn. Das hat sie verändert. Sie gingen anders weg, als sie gekommen waren.
Sternsingen verändert: Die Kinder, die Menschen, die sie in ihren Häusern besuchen. Die Häuser werden zu gesegneten Palästen, die Kinder werden zu wirklichen Königen. Wer weiß, wer alles nachdenklich wird, wenn er die muntere Königsschar auf der Straße trifft? Wer weiß, was sich bewegt, wenn sie in der Schule vom Sternsingen erzählen? Heute mittag bekam ich eine Mail von einer Studentin, die sich wehmütig an ihren Weg als Sternsingerin erinnert und nun nicht mehr mitgehen kann. Sternsingen prägt.
Dass unsere Kinder aus so schöne Weise lernen, anderen Menschen Gottes Segen zu bringen, für andere Gutes zu tun und somit Kirche in einer sehr lebendigen Weise kennen und schätzen lernen, ja spüren, dass sie ganz und gar dazugehören und ein wichtiger Teil des Ganzen sind, das bringe ich dankbar vor Gott. Dass auch weiterhin viele Kinder diesen Weg gehen dürfen, das vertraue ich der Fürsprache meines Namenspatrons an: St. Gellert, hilf!
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