Lieber Hl. Bischof Gellert!
Ich bin über deinen Kollegen, den Hl. Augustinus (354-430) gestolpert. Aus der Lesehore des gestrigen Tage ist mir ein Satz aus seinen Confessiones in Erinnerung geblieben: Dein Gott aber ist das Leben deines Lebens. Augustinus spricht hier die menschliche Seele an, und zwar die Seele, die hinter die Welt blickt und erkennt, dass „nicht der Himmel, nicht die Erde noch irgendein Körper“ ihr Gott ist. Also nicht das Weltliche, das Sichtbare, das von Menschenhand Geschaffene. Es ist gewissermaßen ein Zweischritt, den der Mensch gehen muss: Zunächst erkennen, dass es im Leben um das Seelenheil geht. Nicht um allein körperliches Wohlempfinden, um Genuss, um Haben und Erhalten. Hat man das erkannt, dann folgt der nächste Schritt: Wenn das Leben des Menschen aus der Seele lebt, dann muss man den suchen, der uns die Seele geschenkt hat und sie am Leben hält: das Leben des Lebens – und das ist Gott.
Seelsorge ist ein unklarer Begriff geworden. Der Seelsorger wird oftmals nur noch als Tröster gesehen, der zuhört, der Perspektive auf dem Lebensweg aufweist und Lebensberatung anbietet. Seelsorge bedeutet heutzutage in vielen Fällen nur noch, die „Seele“ ins Gleichgewicht zu bringen, Harmonie herzustellen, Wohlbefinden zu garantieren. Dementsprechend wird die Seelsorge (und werden die Seelsorger) und ihre Angebote daran gemessen, ob sie „mir gut tun und was bringen“. Das alles natürlich „ganzheitlich“. Nach Jahrhunderten angeblicher „Leibfeindlichkeit“ insbesondere der katholischen Kirche, schlug das Pendel ins Gegenteil um. Sicher: Leib und Seele gehören zusammen, aber in unserer Gesellschaft dominiert inzwischen das leibliche Wohl alles andere. Fragt man die Leute, was sie sich am meisten wünschen, dann ist es Gesundheit, Wohlstand, Glück. Wer aber wünscht sich „seelische“ Werte? Wer wünscht sich vor allem Gottvertrauen, Glaubensstärke, Ausdauer im Gebet?
Was aber, wenn wir uns irren? Was, wenn Seelsorge wie beim Pfarrer von Ars heißt: Ich zeige dir den Weg in den Himmel! Ich zeige dir den Weg zu Gott! Ich führe deine Seele behutsam nachhause zu dem, von dem sie kommt und der sie am Leben hält. Seelsorge als Lebensweg zum Leben des Lebens?
Seelsorge hat mit Gott zu tun. Dort, wo die Kirche nur noch sozialverträgliche Lebensberatung und harmonisierende Wellnessliturgie anbietet, gespickt mit ein paar ethischen, unverbindlichen Leitfeuern, reiht sie sich ein im Markt der niederschwelligen Sinnlichkeiten: Heute ein wenig Yoga, morgen Sauna und Massage, hier ein wenig Gottesdienst, danach ein paar Kalendersprüchlein vom Dalai Lama: Wellnessreligion.
Aber dann ist die Kirche nicht mehr das Salz der Erde. Die Kirche hat eine Verantwortung: Das Leben des Menschen ist nicht Selbstzweck, sondern eine große Suchbewegung nach Gott. Unser Leben ist Antwort auf Gottes Liebe, es ist die Anforderung, unsere gottgeschenkten Gaben und Charismen gemäß unserer je eigenen Berufung zu entdecken und einzusetzen. Das Leben ist die Suche der Seele nach dem Leben des Lebens. Und die Kirche hat die Aufgabe, die Menschen auf dieser Suche mit dem Evangelium in bestärkender Weise zu unterweisen und durch die Sakramente zu stärken. Die Menschen brauchen nichts dringender als echte Seelsorger.
Wir können noch ewig über Zölibat und Frauenordination diskutieren. Wir brauchen nicht unbedingt mehr Priester i.S. des „mehr desselben“. Wir brauchen mehr andere Priester, Diakone, Laien, die sich nach dem Leben des Lebens sehnen, die echte Seelsorger sind und echte Seelsorger brauchen.
Dass uns das von Gott geschenkt wird, dass in uns die Sehnsucht nach dem leben des Lebens wach bleibt, dafür schicke ich ein Stoßgebet zum Himmel: St. Gellert, hilf!
Amen.
AntwortenLöschenDito.
AntwortenLöschenSehr schön, sehr berührend. Vor allem, weil ich seit ein paar Monaten einen solchen Priester kenne: ein echter Seelsorger, so wie oben beschrieben. Er hat uns gezeigt, was die Liebe Gottes bedeutet, und das spürt man auch in seinen Gottesdiensten,in denen genau das geschieht, was Sie fordern: dass es um Gott geht). Ich hätte nie für möglich gehalten, dass es so etwas (heute noch) gibt! Ich werde weinen, wenn er leider in ein paar Wochen wieder geht, aber es freut mich für alle, die ihn erleben dürfen, und ich danke Gott, dass ich ihn kennen lernen durfte!
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