Am Ende des Tages der (vorläufig) letzte Einsatz: Dieser Mann ist nicht plötzlich verstorben, nein, er ist gegangen, von sich aus. Und dennoch plötzlich und mehr oder weniger völlig unerwartet. Sicherlich: Er war krank. Der ansonsten immer so lebendige, agile, tatkräftige Mann musste plötzlich mit der Schwachheit seines Körpers fertig werden. Im Alter wurde der Arzt zu seinem ständigen Begleiter. Aber er wollte wohl nicht mehr und machte seinem Leben ein Ende. Tragisch. Unfassbar. Aber geradezu unerträglich für die Angehörigen: Er hat sich nicht verabschiedet, keine letzte stumme Umarmung, keine Andeutung, keinen Brief. Da bleiben viele Fragen zurück. Hat er mich nicht geliebt? Und der Satz der Ehefrau: Er hatte Angst vor dem Alter, aber ich hätte ihn so gerne gepflegt! In die Trauer und Verzweifelung mischt sich auch ein wenig Wut: Wie konnte er uns das antun? Einfach so zu gehen? Und im nächsten Moment liebevolles Verständnis: Er muss verzweifelt gewesen sein, war krank, sah keine Zukunft mehr.
Der Tod hinterlässt immer Wunden. Vor allem, wenn Beziehungen auf so tragische Weise abbrechen. Vieles bleibt ungesagt, Fragen stehen für immer im Raum. So manches Wort der Versöhnung, der Liebe oder des Dankes, vielleicht auch so mancher Rat an die Kinder - stumm und lautlos hat er sich vom Leben verabschiedet, nicht aber von denen, die mit ihm das Leben teilten. Unter diesem Tod werden die Lebenden ein Leben lang leiden, auch wenn er das bestimmt nicht gewollt hat.
Gerade gestern hatte ich noch ein Gespräch nach dem Gottesdienst. Da ging es auch um Tod und eine Frau erzählte mir von einem Mann, der doch wunderbar verstarb, wie man es sich doch nur wünschen kann: einfach nachts entschlafen.
Die Frau ist überrascht, als ich ihr sagte, dass das eigentlich unchristlich sei. Christen verlassen die Welt nicht heimlich und still. Jahrhundertelang haben wir jeden Abend dafür gebetet, Gott möge uns vor einem plötzlichen Tod bewahren. An manchen alten Häusern findet man noch diese Inschrift:
Der Herr bewahre uns und dieses Haus
vor Feuer und vor Wassernot
und vor dem schnellen bösen Tod.
Christen erwarten den Tod mit offenen Augen und sie hoffen, dass in der hora mortis noch Zeit bleibt: Zeit zum Danken, zur Versöhnung mit Gott und der Welt, Zeit zum Gebet, vielleicht sogar zur Kommunion.
Wie schmerzlich für die Hinterbliebenden der plötzliche, schnelle Tod ist, das erfahre ich immer wieder in meinen Einsätzen bei der Notfallseelsorge. Abschied tut weh, aber schlimmer noch ist die Verabschiedung ohne Abschied.
Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz (1 Sam 16,7): Hl. Bischof Gellert, ich lege dir diese beiden Seelen ans Herz und auch die Trauernden. Ich vertraue sie deiner Fürsprache an! Hl. Gellert, hilf!
man betete auch um bewahrung vor einem "unversehenen" tod - weil man um die bedeutung der sterbesakramente wusste.
AntwortenLöschenleider wird heute die krankensalbung ja bei bestimmten gottesdiensten allen und jedem gespendet und hat dadurch ihre bedeutung als sakrament für einen guten tod weitgehend verloren...
Danke für diese bewegenden Eindrücke!
AntwortenLöschenDie Verabschiedung ohne Abschied...
AntwortenLöschenEs tut weh! Und doch... was in solchen Momenten trägt ist der Glaube, dass Gott auch dann, wenn ein Abschied nicht mehr möglich war, dem Tod das letzte Wort über das Leben streitig macht; die Hoffnung, dass menschliche Schuld und Schwachheit durch Gottes Barmherzigkeit überwunden und geheilt werden können; die Liebe, durch die der Mensch über das Kurzlebige und Anekdotische hinaus schreitet und durch die Gott uns den Zugang zum Himmel öffnet, wo wir all die schauen, die uns im Glauben vorangegangen sind. Mögen die Gegenwart Gottes gerade dort spürbar werden, wo wir mit unserem Menschsein am Ende sind und Trost spenden durch Schmerz hindurch.
Herr, erbarme Dich aller, die heute vor Dir erschienen sind!