Freitag, 14. Januar 2011

Verlust und Gewinn

Auf einem Bein kann man nicht stehen - sagt der Volksmund. Und auch N.N. aus unserer Gemeinde konnte mit diesem Satz über sich selber schmunzeln. Dabei kenne ich niemanden mit einem Bein, der fester als er im Leben stand. Wenn man den Erzählungen aus seinem Leben gebannt lauschte, dann wunderte man sich, was er alles erlebt und vor allem wie er es mit seinem starken Glauben ertragen hat. Und in allem immer eine Prise Humor, niemals zynisch oder verbittert. Er war mit ganzem Herzen katholisch. Eng verbunden mit den Benediktinern. Ich hatte den Eindruck, er kennt jedes Kloster weit und breit, hatte immer gleich eine Anschrift parat und dazu die passende Anekdote. Auch seine umfassende Bildung wirkte anziehend, niemals aufdringlich. Er wusste viel, kannte sich sehr gut in der Kunst aus und konnte faszinierend davon erzählen. Seine große Liebe war die Kirchenmusik, für die er sich in besonderem Maße bei uns einsetzte. Wenn ich ihm die Krankenkommunion brachte, dann konnte ich immer wieder neues lernen. Es war erstaunlich, wie weit sein Horizont gespannt war.
Für mich war er der Seismograph in der Gemeinde. Auch vom Krankenbett aus nahm er die leichten Schwingungen in der Gemeinde und in der Kirche als Ganzes wahr. Weil er so katholisch war, weil er so fest im Glauben stand, so treu zur Kirche, so lebenserfahren und feinfühlig, war sein Urteil für mich so wichtig: Von diesem Mann konnte ich mir Gutes, aber auch Nachdenkliches auf meinem Weg sagen lassen. Sein Urteil hatte Wert und Bestand.
Die Schwäche des Alters hat er getragen und ausgehalten. Und gleichzeitig darin Stärke bewiesen, indem er die Zeit im Krankenbett zum Gebet für andere nutzte. Es tat gut, diese "geistliche Verstärkung"  im Rücken zu haben.

Nun ist er verstorben. Unsere Gemeinde verdankt ihm viel. Am Ende ging es dann doch zu schnell und ich lerne daraus, wie sooft im Leben: Aus einem "später" kann schnell auch ein "zu spät" werden. Gerne hätte ich ihn noch einmal besucht.

Ich wünsche ihm auf die Fürsprache des Hl. Gehrhard Freude und ewige Ruhe, ich wünsche ihm einen Platz bei den himmlischen Chören, vielleicht sogar an einer Orgel.

2 Kommentare:

  1. sehr treffend, diese charakterisierung.
    danke!
    er war ein starker rückhalt, wen er stützte mit der kraft seiner autorität, der hatte einen starken schutz.
    charakterfeste leute, wie es sie nur noch selten gibt.

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  2. Es ist selten, dass ich ergriffen bin- gerade bin ich es.

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