Montag, 31. Januar 2011

Drei Männer - ein Datum

Der Beamer macht es möglich: Jetzt kann man das Grauen didaktisch strukturieren und medial aufbereiten. Bilder und Text wechseln sich ab, dazwischen ein Film in Farbe, der Ton stimmt, die Botschaft kommt an. Doch am Ende sind es die Worte, die Eindruck machen, der Lehrer, der mit eigenen Worten erzählt, was an jenem 14. August 1941 in Auschwitz geschah.

Ich habe den Schülern Bilder gezeigt vom Leben im Dritten Reich. Und einen zehnminütigen Film, der in Farbe zeigt, wie totalitär der Staat die Menschen umfasste. Alles stand unter der Macht des Hakenkreuzes. Selbst der Schützenkönig beim Dorffest wurde mit dem Hitlergruß empfangen. Uniformen, Aufmärsche, Trommeln, Gemeinschaft - das Grauen hatte seine Faszination. Und dann habe ich den Schülern die andere Seite gezeigt, denn auch davon gibt es viele Bilder: brennende Synagogen, zerstörte jüdische Geschäfte und am Ende das Eingangstor von Auschwitz.

In Auschwitz: SS Hauptsturmführer Karl Fritzsch, P. Maximilian Kolbe und Franciszek Gajowniczek. Drei Männer, die ein Datum verbindet, eben jener 14. August 1941. So still habe ich meine Schüler selten erlebt, als ich ihnen vom Maximilian Kolbe erzähle. Es ist für sie unfassbar: Warum hat er das getan? Und die Antwort ist die, die Kolbe selber gab, als ihn Fritzsch völlig verblüfft fragte, warum er denn freiwillig für Franciszek Gajowniczek in den Tod gehen wolle: "Weil ich katholischer Priester bin." Frei, ungebunden, einzig und allein Gott, der Kirche und seinem Gewissen verpflichtet - deutlicher konnte er den scheinbar Mächtigen nicht vorführen, wie machtlos sie in Wirklichkeit waren. Aber es ging in erster Linie nicht um Macht, sondern um Hingabe: Sich eben wie Christus für andere zerbrechen lassen. Sich opfern zu lassen, damit der Familienvater leben kann.

Meine Schüler hat diese Stunde sehr bewegt. Eine Schülerin fand es von Gott ungerecht, dass ausgerechnet Kolbe als letzter im Hungerbunker starb. Aber vielleicht war das ein Akt der Barmherzigkeit: Der Priester geht zuletzt, er betet mit den Verzweifelten, er begleitet sie bis zum bitteren Ende. Aushalten auf scheinbar verlorenem Posten, sich nicht aufgeben, sondern solange seiner Berufung treu bleiben, wie es erforderlich ist. Wie der Pfarrer auf der Titanic, meinte ein Schüler.

Hier werden wir nächste Stunde ansetzen: Es stellt sich die Frage, woher der Hl. Maximilian Kolbe, die Hl. Elisabeth, die Hl. Emma und viele andere Heilige, die wir in den letzten Wochen kennen gelernt haben, denn diese übermenschliche Kraft für ihre vollkommene Hingabe an den Nächsten hatten. Es wird uns unweigerlich zur Eucharistie und zur Firmung führen. Heilige sind mehr als nur gute Vorbilder. Sie sind keine moralische Institution, sondern Glaubenszeugen.

"Vor dir mache ich mich klein. Mit dir bin ich groß!" - das ist der Satz, den ich meinen Kommunionkindern bei der Kniebeuge in der Kirche ans Herz lege. Die Heiligen haben uns gezeigt, dass der Mensch in der Kraft des Heiligen Geistes Großes, wahrhaft Übermenschliches vollbringen kann. Nicht aus sich heraus, sondern einzig und allein mit Gottes Hilfe: Mit meinem Gott überspringe ich Mauern (Ps 18.30) - selbst wenn sie aus Stacheldraht sind.

Dass wir das nie vergessen, sondern uns vielmehr von den Heiligen, insbesondere von unserem Namenspatron leiten lassen, der Kraft des Heiligen Geistes zu vertrauen, dazu schicke ein Gebet zum Himmel: St. Gellert hilf!

Montag, 24. Januar 2011

Zölibat II: Männer sind primitiv?

Was mich auch aufregt in dieser ewigen Diskussion: In unserer Gesellschaft scheint sich alles nur noch um Sex zu drehen. Obergärig, unterschwellig, offensichtlich, immer und überall. Daher bringt mich das wirklich auf die Palme, wenn man den Zölibat mit Missbrauch in Verbindung bringt. So nach dem Motto: Der Arme darf ja nicht und irgendwann muss es dann halt passieren!

Am meisten ärgert es mich, wenn diese primitive Verknüpfung ausgerechnet von Männern (!) in Diskussionen eingebracht wird. Da kann ich nur sagen: Bravo! Alice Schwarzer & Co haben ganze Arbeit geleistet! Wobei ich hier nicht Frau Schwarzer persönlich angreife, wohl aber das Denken, dass sie und ihresgleichen in den letzten Jahrzehnten scheinbar erfolgreich der Männerwelt eingepflanzt haben: Wer nämlich so argumentiert, der macht den Mann zum primitiven Affen, beherrscht von seinen Trieben.

Da werden alle Klischees unbewusst und freiwillig übernommen: Alle Stammtischwitze werden wahr! Der Mann denkt nicht mit dem Kopf, er denkt weiter unten, ist primitiv, hormon- und (zensiert)gesteuert. Beim Mann geht es nicht ohne und wenn man es ihm verbietet, dann ist man mitschuldig an der Zeitbombe, die unbarmherzig bis zur Explosion vor sich hintickt.

Und selbstverständlich eignet sich dieses Männerbild ideal für die Schuldzuweisung an die Institution. Adam spricht zum Papst: Die Frau, die du und deine Kirche mir vorenthalten haben, hat mich von der verbotenen Frucht naschen lassen.

War da nicht mal was mit Aufklärung? Nein, ich meine nicht  Dr. Sommer, sondern Kant und seine Kollegen von der Philosophenzunft. Der Mensch als Herr über seine Triebe, als Geistwesen mit Verstand und Intelligenz? Wenn es um den Zölibat geht, kehren wir zurück in die Steinzeit - zumindest die Männer.

Nein, es dreht sich nicht alles um Sex. Nebenbei bemerkt: auch nicht in der Ehe. Ehe findet nicht nur im Bett statt. Und Männer (und Frauen) - man glaubt es heutzutage kaum - können auch "ohne". Tatsächlich. Wirklich. Mit macht es sicherlich mehr Spaß, aber es ist ein Dürfen und kein Müssen. Wer Männer zu bloßen triebgetriebenen Halbaffen macht, der macht die Frau zu einem bloßen Instrument der Triebbefriedigung. Und das hätte immense Auswirkungen auf unser Rechtswesen!

Warum also so primitiv, ihr Männer in den Talkshows? Wo bleibt eure Würde, euer Sieg des Geistes über das Fleisch?

Samstag, 22. Januar 2011

Dramatischer Appell

Sehen wir es zunächst mal positiv: Sie haben nicht mit dem Missbrauch argumentiert. Sie haben Zölibatäre auch nicht als sexuell Unterdrückte und somit als Zeitbomben dargestellt. Dass immer wieder Stimmen gegen den Zölibat erhoben werden, daran gewöhnt man sich ja mit der Zeit. Aber dieses Mal ist es wirklich was Neues: Nicht die üblichen Verdächtigen und entsprechende Gruppierungen, sondern "namhafte katholische CDU-Politiker"  haben einen "dramatischen Appell" an die deutsche Bischofskonferenz gerichtet, sich "dringend" beim Papst für die Weihe verheirateter Männer einzusetzen. Neben Annette Schavan, Dieter Althaus, Bernhard Vogel und Erwin Teufel gehört auch Bundestagspräsident Norbert Lammert zu den Unterzeichnern des flammenden Appels. Lammert setzt dann noch nach und verteidigt bereits den Aufruf an die Bischöfe: Der Zölibat sei gar nicht mehr begründbar, viele Bischöfe würden genau so denken und wenn die "Amtskirche" zögere, sich öffentlich mit dem Priestermangel und dem Sinn des Zölibats auseinanderzusetzen, dann müssten das eben engagierte Laien tun. 

Man darf es den Unterzeichnern glauben, dass es ihnen weder um Polemik, noch um (Kirchen)politik oder um bloße Öffentlichkeit geht, sondern sie sich tatsächlich Sorgen um die Zukunft der Kirche machen. Vielmehr stehen am Ausgangspunkt ihrer Forderung Beobachtungen über die derzeitige Krise insbesondere der deutschen Kirche. Es fehlt an allen Ecken und Kanten an fähigen Priestern. Das Wort vom "Priestermangel" geistert seit Jahren durch unser Land. Und man muss den CDU-Politikern recht geben, dass die Antwort der Kirche auf die Krise bisher lediglich strukturell war: Man hat Seelsorgeeinheiten geschaffen, die mit unterschiedlichen Namen eigentlich überall nur das gleiche ausdrücken: Statt einer, zwei oder drei Pfarreien, hat ein Priester eben noch eine vierte, fünfte und sechste dazubekommen. Die Not ist groß, gar keine Frage. Man werfe einen Blick in die eigene kirchliche Lebenswelt vor Ort, und man findet das alles bestätigt: Pfarrer (und auch Diakone), die nicht mehr Seelsorger vor Ort, sondern mobile Sakramentenspender sind. Pfarrer, die nur noch dem Titel nach Pfarrer sind, aber schon längst durch ein Pastoralteam oder Räte in ihrer Hirtenfunktion eingeschränkt, teilweise sogar ersetzt werden.

Aber: Die unterschwellige Botschaft des Appells muss hinterfragt werden. Ist denn tatsächlich der Zölibat die Ursache für den Priestermangel? Diese Verknüpfung von Ursache und Wirkung wird bei uns so landläufig als Naturgesetz angesehen, dass kaum einer es wagt, dieses scheinbar kirchenpolitische Axiom in Frage zu stellen.

Sicher ist: Wir hätten den einen oder anderen zusätzlichen Kandidaten im Priesterseminar, wenn der Zölibat nicht mehr vorgeschrieben wäre. Wir hätten mehr, aber hätten wir auch bessere Priester?
Dass mit der Abschaffung des Zölibats nicht alle Probleme gelöst werden, kann man an denen sehen, die keinen Zölibat haben und da muss man nüchtern feststellen: die Mitgliedszahlen und die Attraktivität anderer Konfessionen ist nicht besser als die der katholischen.
Mich erschreckt wie selbstverständlich diese Verknüpfung Zölibat-Priestermangel in den Raum gestellt wird und damit jede Diskussion um andere Gründe für den Priestermangel im Keim erstickt werden. Schaut man mal genau hin, dann muss es uns doch verwundern, dass z.B. Klöster wie Heiligenkreuz im Wienerwald enormen Zulauf haben - unsere Seminare aber weitgehend leer bleiben. Und die Mönche leben auch zölibatär. Es wäre auch mal interessant, genauer hinzuschauen, welche Priesterseminare in welchen Bistümern leer bleiben und ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der grundsätzlichen Ausrichtung des Bischofs und seiner Pastoral und der Zahl derer, die sich unter diesen Bedingungen für den Weg ins Seminar entscheiden. Manche moderne, aus der Not geborene, mit viel Euphemismen übertünchte Pastoralpläne erzeugen in der Praxis ein Pfarrerbild, das mehr mit einem Manager in einem Großbetrieb als mit einem Hirten für anvertraute Schäfchen zu tun hat. Manche pastoralen Räume atmen kaum noch Spiritualität: Da ist der Pfarrer der Organisator, der Macher, der Motivator und Animateur, aber eben kaum noch der gesuchte Seelsorger und Beter vor dem Herrn.

Der Zölibat setzt Kräfte frei, die ich als Ständiger Diakon gerne und mit gutem Gewissen gewollt meiner Familie zukommen lassen darf. Der Zölibat ist ein Zeichen für die Ganzhingabe an Gott, der tiefen Beziehung zu Christus und seiner Kirche. Er ist ein lebendiges Zeichen, das über die Kirche und unser Leben hinaus auf  unser himmlisches Ziel verweist. Ein Zeichen, das in der Kirche oft genug kaum geschätzt und nur noch wenig verstanden wird.

Es ist zu billig, den Priestermangel auf den Zölibat zu verkürzen. Man muss sich auch kritisch fragen: ist die Kirche in der Form, wie sich derzeit darstellt und gibt, so attraktiv und lebendig, so stark und geschlossen, dass sie einem jungen Menschen die Familie und Heimat bieten, so dass er dafür auch gerne zölibatär leben möchte? Solange wir selber den Zölibat schlecht reden und unterschwellig der Kirche als Ganzes und jedem Zölibatären ein verkrampftes Verhältnis zur Sexualität unterstellen, solange wir nicht bereit sind, uns geistlich zu erneuern und unsere katholische Spiritualität zu vertiefen, solange wird der Priestermangel  andauern. Der Priestermangel ist in erster Linie keine Frage des Zölibats, sondern eine Frage des Glaubens, der Spiritualität und der Lebendigkeit der Kirche.

Montag, 17. Januar 2011

Einfach weg


Notfallseelsorge. Der erste Einsatz heute morgen um fünf. Der Mann war einfach in der Nacht entschlafen. Erst als er heute morgen nicht auf den Wecker reagierte, bemerkte die Familie seinen Tod. Unfassbar, so plötzlich. Man hatte noch soviel vor! In der Wohnung war schon alles für Renovierungsarbeiten vorbereitet, die jetzt im Urlaub durchgeführt werden sollten. Vater und Sohn, gemeinsam wollten sie`s anpacken. Der Vater war noch gar nicht so alt, gerade mal sechzig. Sein Leben lang Frühaufsteher und fit. Und dann plötzlich tot.

Am Ende des Tages der (vorläufig) letzte Einsatz: Dieser Mann ist nicht plötzlich verstorben, nein, er ist gegangen, von sich aus. Und dennoch plötzlich und mehr oder weniger völlig unerwartet. Sicherlich: Er war krank. Der ansonsten immer so lebendige, agile, tatkräftige Mann musste plötzlich mit der Schwachheit seines Körpers fertig werden. Im Alter wurde der Arzt zu seinem ständigen Begleiter. Aber er wollte wohl nicht mehr und machte seinem Leben ein Ende. Tragisch. Unfassbar. Aber geradezu unerträglich für die Angehörigen: Er hat sich nicht verabschiedet, keine letzte stumme Umarmung, keine Andeutung, keinen Brief. Da bleiben viele Fragen zurück. Hat er mich nicht geliebt? Und der Satz der Ehefrau: Er hatte Angst vor dem Alter, aber ich hätte ihn so gerne gepflegt! In die Trauer und Verzweifelung mischt sich auch ein wenig Wut: Wie konnte er uns das antun? Einfach so zu gehen? Und im nächsten Moment liebevolles Verständnis: Er muss verzweifelt gewesen sein, war krank, sah keine Zukunft mehr.

Der Tod hinterlässt immer Wunden. Vor allem, wenn Beziehungen auf so tragische Weise abbrechen. Vieles bleibt ungesagt, Fragen stehen für immer im Raum. So manches Wort der Versöhnung, der Liebe oder des Dankes, vielleicht auch so mancher Rat an die Kinder - stumm und lautlos hat er sich vom Leben verabschiedet, nicht aber von denen, die mit ihm das Leben teilten. Unter diesem Tod werden die Lebenden ein Leben lang leiden, auch wenn er das bestimmt nicht gewollt hat.

Gerade gestern hatte ich noch ein Gespräch nach dem Gottesdienst. Da ging es auch um Tod und eine Frau erzählte mir von einem Mann, der doch wunderbar verstarb, wie man es sich doch nur wünschen kann: einfach nachts entschlafen.

Die Frau ist überrascht, als ich ihr sagte, dass das eigentlich unchristlich sei. Christen verlassen die Welt nicht heimlich und still. Jahrhundertelang haben wir jeden Abend dafür gebetet, Gott möge uns vor einem plötzlichen Tod bewahren. An manchen alten Häusern findet man noch diese Inschrift:

Der Herr bewahre uns und dieses Haus 
vor Feuer und vor Wassernot 
und vor dem schnellen bösen Tod. 

Christen erwarten den Tod mit offenen Augen und sie hoffen, dass in der hora mortis noch Zeit bleibt: Zeit zum Danken, zur Versöhnung mit Gott und der Welt, Zeit zum Gebet, vielleicht sogar zur Kommunion.

Wie schmerzlich für die Hinterbliebenden der plötzliche, schnelle Tod ist, das erfahre ich immer wieder in meinen Einsätzen bei der Notfallseelsorge. Abschied tut weh, aber schlimmer noch ist die Verabschiedung ohne Abschied.

Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz (1 Sam 16,7):  Hl. Bischof Gellert, ich lege dir diese beiden Seelen ans Herz und auch die Trauernden. Ich vertraue sie deiner Fürsprache an! Hl. Gellert, hilf!


Freitag, 14. Januar 2011

Verlust und Gewinn

Auf einem Bein kann man nicht stehen - sagt der Volksmund. Und auch N.N. aus unserer Gemeinde konnte mit diesem Satz über sich selber schmunzeln. Dabei kenne ich niemanden mit einem Bein, der fester als er im Leben stand. Wenn man den Erzählungen aus seinem Leben gebannt lauschte, dann wunderte man sich, was er alles erlebt und vor allem wie er es mit seinem starken Glauben ertragen hat. Und in allem immer eine Prise Humor, niemals zynisch oder verbittert. Er war mit ganzem Herzen katholisch. Eng verbunden mit den Benediktinern. Ich hatte den Eindruck, er kennt jedes Kloster weit und breit, hatte immer gleich eine Anschrift parat und dazu die passende Anekdote. Auch seine umfassende Bildung wirkte anziehend, niemals aufdringlich. Er wusste viel, kannte sich sehr gut in der Kunst aus und konnte faszinierend davon erzählen. Seine große Liebe war die Kirchenmusik, für die er sich in besonderem Maße bei uns einsetzte. Wenn ich ihm die Krankenkommunion brachte, dann konnte ich immer wieder neues lernen. Es war erstaunlich, wie weit sein Horizont gespannt war.
Für mich war er der Seismograph in der Gemeinde. Auch vom Krankenbett aus nahm er die leichten Schwingungen in der Gemeinde und in der Kirche als Ganzes wahr. Weil er so katholisch war, weil er so fest im Glauben stand, so treu zur Kirche, so lebenserfahren und feinfühlig, war sein Urteil für mich so wichtig: Von diesem Mann konnte ich mir Gutes, aber auch Nachdenkliches auf meinem Weg sagen lassen. Sein Urteil hatte Wert und Bestand.
Die Schwäche des Alters hat er getragen und ausgehalten. Und gleichzeitig darin Stärke bewiesen, indem er die Zeit im Krankenbett zum Gebet für andere nutzte. Es tat gut, diese "geistliche Verstärkung"  im Rücken zu haben.

Nun ist er verstorben. Unsere Gemeinde verdankt ihm viel. Am Ende ging es dann doch zu schnell und ich lerne daraus, wie sooft im Leben: Aus einem "später" kann schnell auch ein "zu spät" werden. Gerne hätte ich ihn noch einmal besucht.

Ich wünsche ihm auf die Fürsprache des Hl. Gehrhard Freude und ewige Ruhe, ich wünsche ihm einen Platz bei den himmlischen Chören, vielleicht sogar an einer Orgel.

Heute Papst - morgen heilig?

Lieber Bischof Gellert!


Die Meldung war zu erwarten, aber dass es dann doch so schnell ging, kam überraschend: Papst Johannes Paul II. wird am 1. Mai selig gesprochen. Das war selbst n-tv eine Meldung an oberster Stelle wert, wenngleich man dann sofort darunter einen Link zum Thema "Missbrauch" einfügte.
Die Polen jubeln und mit ihnen auch viele Katholiken auf der ganzen Welt. Jetzt kommen aus allen Ecken Statements und Reaktionen - bisher noch positiv.


Man reibt sich jedoch die Augen über das, was vom BDKJ kommt: Überraschend sehr viel Lob für den neuen Seligen: "Seine Authentizität, seine ehrlichen Worte und sein Charisma haben die Jugendlichen begeistert". Schön, wenn man das jetzt so sieht. Wer aber länger in der Kirche aktiv ist, wird sich sicherlich daran erinnern, dass gerade vom BDKJ so manch scharfer Schuss in Richtung Rom abgefeuert wurde. Zu Lebzeiten war Johannes Paul II. Zielscheibe so mancher beißender Kirchenkritik auch und vor allem aus den kirchlichen Jugendverbänden. Es ging dabei um die Allerweltsthemen: Kondom, Pille, Zölibat, Frau.... 


Als Johannes Paul II. am 2. April 2005 starb und die Jugend der Welt nach Rom strömte, da war so mancher in der deutschen Kirche völlig überrascht. Die offiziellen Jugendvertreter - oder die, die sich zumindest dafür hielten - konnten sich die Begeisterung der Jugend für diesen Papst nicht erklären, widersprach er doch in seinem Denken und seiner Verkündigung so mancher offiziellen Position, die man selber verkündete.


Ich bin gespannt, wann die nun ersten Kritiker auftauchen, vor allem diejenigen, die grundsätzlich zu solchen Anlässen aus der Mottenkiste hervorgeholt werden. Der Grundsatz de mortuis nihil nisi bene, also über Tote nichts als Gutes zu sagen, erst recht wenn sie selig gesprochen werden - wird dieser Grundsatz in den kommenden Wochen respektiert werden? Oder werden diejenigen alsbald  ihre Bedenken, ihre Kritik äußern, die den Papst schon zu Lebzeiten attackierten? Wie lange wird es dauern, bis man Ranke-Heinemann, Drewermann und dem in solchen Fällen unvermeidlichen Hans Küng eine Bühne bietet?


Es wäre zu schön, wenn hinter den Worten des BDKJ eine echte Einsicht stünde und man sich öfter auf den Papst besinnen würde. Und zwar tatsächlich in seiner Funktion als oberster Hirte der Kirche. Wenn demnächst der BDKJ mal wieder ein Papier veröffentlicht, indem er bei Benedikt XVI. all das kritisiert, was man nun bei Johannes Paul II. als "authentisch" und "ehrlich" lobt - wobei ja offen ist, was man genau darunter versteht - dann sollte man den BDKJ an seinen heutigen Worten messen und den Berufsjugendlichen sagen: Der Papst von heute könnte der Heilige von morgen sein. Und jenseits aller Papiere, Forderungen und Kritik gibt es tatsächlich viele (nicht nur jugendliche) Menschen, die dafür ein Gespür haben.


Lieber Hl. Gerhard, ich freue mich mit dir über den neuen Heiligen!









Mittwoch, 12. Januar 2011

Seelsorger gesucht



Lieber Hl. Bischof Gellert!

Ich bin über deinen Kollegen, den Hl. Augustinus (354-430) gestolpert. Aus der Lesehore des gestrigen Tage ist mir ein Satz aus seinen Confessiones in Erinnerung geblieben: Dein Gott aber ist das Leben deines Lebens. Augustinus spricht hier die menschliche Seele an, und zwar die Seele, die hinter die Welt blickt und erkennt, dass „nicht der Himmel, nicht die Erde noch irgendein Körper“ ihr Gott ist. Also nicht das Weltliche, das Sichtbare, das von Menschenhand Geschaffene. Es ist gewissermaßen ein Zweischritt, den der Mensch gehen muss: Zunächst erkennen, dass es im Leben um das Seelenheil geht. Nicht um allein körperliches Wohlempfinden, um Genuss, um Haben und Erhalten. Hat man das erkannt, dann folgt der nächste Schritt: Wenn das Leben des Menschen aus der Seele lebt, dann muss man den suchen, der uns die Seele geschenkt hat und sie am Leben hält: das Leben des Lebens – und das ist Gott.

Seelsorge ist ein unklarer Begriff geworden. Der Seelsorger wird oftmals nur noch als Tröster gesehen, der zuhört, der Perspektive auf dem Lebensweg aufweist und Lebensberatung anbietet. Seelsorge bedeutet heutzutage in vielen Fällen nur noch, die „Seele“ ins Gleichgewicht zu bringen, Harmonie herzustellen, Wohlbefinden zu garantieren. Dementsprechend wird die Seelsorge (und werden die Seelsorger) und ihre Angebote daran gemessen, ob sie „mir gut tun und was bringen“. Das alles natürlich „ganzheitlich“. Nach Jahrhunderten angeblicher „Leibfeindlichkeit“ insbesondere der katholischen Kirche, schlug das Pendel ins Gegenteil um. Sicher: Leib und Seele gehören zusammen, aber in unserer Gesellschaft dominiert inzwischen das leibliche Wohl alles andere. Fragt man die Leute, was sie sich am meisten wünschen, dann ist es Gesundheit, Wohlstand, Glück. Wer aber wünscht sich „seelische“ Werte? Wer wünscht sich vor allem Gottvertrauen, Glaubensstärke, Ausdauer im Gebet?

Was aber, wenn wir uns irren? Was, wenn Seelsorge wie beim Pfarrer von Ars heißt: Ich zeige dir den Weg in den Himmel! Ich zeige dir den Weg zu Gott! Ich führe deine Seele behutsam nachhause zu dem, von dem sie kommt und der sie am Leben hält. Seelsorge als Lebensweg zum Leben des Lebens?

Seelsorge hat mit Gott zu tun. Dort, wo die Kirche nur noch sozialverträgliche Lebensberatung und harmonisierende Wellnessliturgie anbietet, gespickt mit ein paar ethischen, unverbindlichen Leitfeuern, reiht sie sich ein im Markt der niederschwelligen Sinnlichkeiten: Heute ein wenig Yoga, morgen Sauna und Massage, hier ein wenig Gottesdienst, danach ein paar Kalendersprüchlein vom Dalai Lama: Wellnessreligion.

Aber dann ist die Kirche nicht mehr das Salz der Erde. Die Kirche hat eine Verantwortung: Das Leben des Menschen ist nicht Selbstzweck, sondern eine große Suchbewegung nach Gott. Unser Leben ist Antwort auf Gottes Liebe, es ist die Anforderung, unsere gottgeschenkten Gaben und Charismen gemäß unserer je eigenen Berufung zu entdecken und einzusetzen. Das Leben ist die Suche der Seele nach dem Leben des Lebens. Und die Kirche hat die Aufgabe, die Menschen auf dieser Suche mit dem Evangelium in bestärkender Weise zu unterweisen und durch die Sakramente zu stärken. Die Menschen brauchen nichts dringender als echte Seelsorger.

Wir können noch ewig über Zölibat und Frauenordination diskutieren. Wir brauchen nicht unbedingt mehr Priester i.S. des „mehr desselben“. Wir brauchen mehr andere Priester, Diakone, Laien, die sich nach dem Leben des Lebens sehnen, die echte Seelsorger sind und echte Seelsorger brauchen.

Dass uns das von Gott geschenkt wird, dass in uns die Sehnsucht nach dem leben des Lebens wach bleibt, dafür schicke ich ein Stoßgebet zum Himmel: St. Gellert, hilf!

Sonntag, 9. Januar 2011

Hochadel


Lieber Bischof Gellert,

ich weiß gar nicht, ob es das schon zu deiner Zeit gab. Wohl kaum in dieser Form. Die Sternsinger, wie ich sie kenne, gibt es erst seit 1959. Ich selber war schon als Kind mit den Sternsingern unterwegs. Was war ich stolz, ein König zu sein! Das war etwas ganz besonderes: Nicht jeder durfte die Krone tragen und am mutigsten war natürlich der, der sich schwarz färben ließ. In meiner Heimatstadt St. Wendel, einer sehr katholischen Ecke, gehen die Sternsinger tatsächlich noch von Haus zu Haus. Überall wird geklingelt, überall gesegnet und überall sammeln die Sternsinger Spenden für Kinder in Not. Tagelang waren wir unterwegs. Fast alle Ministranten machten mit. Die Kleinen waren stolze Könige, andere trugen den Stern, die Großen waren stolz, für so groß gehalten zu werden, dass man ihnen eine eigene Gruppe anvertraute, mit der sie dann durch ihre Straßen zogen. Und auch wenn wir Waschkörbe voller Süßigkeiten für unseren Dienst erhielten, so zählte am Ende für jede Gruppe doch am meisten, wie viele Spenden sie erhalten hatte. Das war ein richtiger kleiner Wettbewerb. Rückblickend stelle ich auch fest: Es war für mich ein großer Schritt im sozialen Lernen: Erstmals überhaupt habe ich dabei mit anderen in großem Stil etwas für andere getan. Hut ab vor denen, die mich das lehrten.

Nun ziehen meine eigenen Kinder durch die Straßen und lernen dabei, dass es wichtig und gut ist, sich auch für andere einzusetzen. Sie lernen diesen Schritt von der Krippe in die Welt hinein: Weihnachten muss uns bewegen. Wenn Gott Mensch wird, dann können wir nicht einfach nur fröhliche Loblieder singen, sondern dann muss auch etwas geschehen. Gott wird Mensch und alles bleibt, wie es ist - das geht nicht. Natürlich werden meine Kinder heute Abend Tüten voller Süßigkeiten anschleppen und sich darüber freuen, was ihnen alles geschenkt wurde. Sie werden uns den ganzen Abend von den Besuchen erzählen, wer was getan, gesagt, wer seine Krone in welchem Haus vergessen, wer wann welchen Blödsinn angestellt, oder das Auto mit Weihrauch eingenebelt hat. Aber vor allem wissen sie auch, dass sie den Menschen Gottes Segen brachten - das haben sie gewissermaßen schriftlich, kann man an jeder Tür sehen. Übrigens: Das zieht sich durch das ganze Jahr. Manchmal kommen wir an Türen vorbei und dann steht das groß noch das C+M+B und meine Kinder erzählen dann: "Da waren wir doch! Weißt du noch? Das ist doch der, der dann...."

Sie werden müde ins Bett fallen (hoffentlich) und sich auch darüber freuen, dass sie heute soviel Gutes getan und für Kinder in Not Spenden gesammelt haben. Noch nie hat sich eines der Kinder darüber beklagt, es hätte seine kostbare Ferienzeit verschwendet.

Auch bei uns waren sie heute. Die ganze Königsschar. Wenn im Frühjahr in England die königliche Hochzeit stattfindet und sich der ganze Adel Europas mit den gekrönten Häuptern dort einfindet, dann wird das bestimmt sehr feierlich. Da ist dann auch genau geklärt, wer vor und hinter wem zu gehen hat, denn Adel ist nicht gleich Adel und nicht jede Krone hat denselben Wert.
Bei uns haben sich heute viele gekrönte Häupter eingefunden. Feierlich war es weniger, dafür aber sehr herzlich und lebendig, denn wir haben die Ehre, alle Könige unserer Pfarrei zum Mittagessen einladen zu dürfen. Heute morgen hieß es in der Predigt sinngemäß: Die Sterndeuter gingen auf einem anderen Weg zurück. Sie gingen eben nicht mehr zu Herodes. Das ist auch ein Bild für die innere Wandlung: Gesucht haben sie einen König, gefunden haben sie Gottes Sohn. Das hat sie verändert. Sie gingen anders weg, als sie gekommen waren.

Sternsingen verändert: Die Kinder, die Menschen, die sie in ihren Häusern besuchen. Die Häuser werden zu gesegneten Palästen, die Kinder werden zu wirklichen Königen. Wer weiß, wer alles nachdenklich wird, wenn er die muntere Königsschar auf der Straße trifft? Wer weiß, was sich bewegt, wenn sie in der Schule vom Sternsingen erzählen? Heute mittag bekam ich eine Mail von einer Studentin, die sich wehmütig an ihren Weg als Sternsingerin erinnert und nun nicht mehr mitgehen kann. Sternsingen prägt.

Dass unsere Kinder aus so schöne Weise lernen, anderen Menschen Gottes Segen zu bringen, für andere Gutes zu tun und somit Kirche in einer sehr lebendigen Weise kennen und schätzen lernen, ja spüren, dass sie ganz und gar dazugehören und ein wichtiger Teil des Ganzen sind, das bringe ich dankbar vor Gott. Dass auch weiterhin viele Kinder diesen Weg gehen dürfen, das vertraue ich der Fürsprache meines Namenspatrons an: St. Gellert, hilf!

Mittwoch, 5. Januar 2011

Endlich: Frohe Weihnachten!

Für die Geistlichen und für diejenigen, die an Weihnachten von einem Familienbesuch zum nächsten hasten, zwischen den Jahren kaum zur Ruhe und Besinnung finden und sich - wie ich - schwer tun, nach Silvester wieder in die Alltagshektik einzusteigen, kann Epiphanie so etwas wie das "wahre" Weihnachtsfest sein. Ein Fest, dass in seiner tiefen Bedeutung längst nicht mehr erfasst wird und von den meisten nur noch mit den Hl. Drei Königen und Sternsingern in Verbindung gebracht wird.
Aber gerade weil Epiphanie schon wieder so sehr im nachweihnachtlichen Alltag untergeht, eben weil es nicht mit  diesem Geschenkerummel und den Familienfeiern überfrachtet ist, bietet es die Chance, noch einmal persönlich in die Stille zu gehen und Weihnachten zu feiern.

Meine Kinder haben auf ihre Weise Christus, dem Licht der Welt, eine Herberge geschenkt: In den Schneeberg vor unserem Haus haben sie mit viel Mühe eine Höhle gegraben und zwei Kerzen hinein gestellt:



In ihm war das Leben
und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht leuchtet in der Finsternis.
Joh 1,4

So einfach kann es sein. In diesem Sinne wünsche ich allen noch einmal (oder endlich) Frohe Weihnachten!

Dienstag, 4. Januar 2011

Generation JP2


Auf Anregung von Pfarrer Jolie verlinke ich hier die Predigt zum Tod von Papst Johannes Paul II. 




Lieber Hl. Bischof Gellert! 


Ich gestehe: Um das nachzuvollziehen und auch nur annähernd zu verstehen, muss man schon richtig katholisch sein. Kathnet berichtet heute, im Prozess zur Seligsprechung von Papst Johannes Paul II. sei man einen entscheidenden Schritt weiter gekommen. 
Da werden alte Erinnerungen wach. Dieser Papst ist „mein“ Papst. Nicht, dass mir die anderen nichts sagten oder mir Benedikt XVI. nicht am Herzen läge – allein diese Formulierung ist schon hyperkatholisch.
Aber Johannes Paul II. hat mich 26 Jahre (und fünf Monate) auf meinem katholischen Weg begleitet. Und was war das für ein Weg! Am Anfang war er mir egal, so richtig aufmerksam wurde ich erst im Studium auf ihn. Aber da hat man die Päpste grundsätzlich nur noch an ihrer Einstellung zu Kondom und Pille gemessen. Ok, ist ein wenig überzogen, aber im Großen und Ganzen war es so. JP II. war der Blockadepapst, oder – wie Reinhard Mey es in seinem Lied „Narrenschiff“ recht despektierlich ausdrückt – „der schlimme alte Mann in Rom“. Damals war ich der Meinung: Den alten Mann in Rom braucht man nicht, und solange er den Mund hält, kann er ruhig der alte Mann in Rom bleiben.

Dass es da noch ganz andere Zugänge gibt, lernte ich erst – man höre und staune – in meiner Zeit als lutherischer Christ in Palästina. Ausgerechnet der evangelische Probst von Jerusalem beneidete die Katholiken um den Papst: Hier wurde mir erstmals deutlich, dass der „Dienst der Einheit“ (und nicht die Lust, uns die Lust zu verbieten) die Hauptaufgabe des Papstes ist und dass uns andere um genau dieses Amt beneiden, weil sie sehen, wie in ihrer Konfession zwar der Papst in Rom abgeschafft wurde, dafür sich aber jeder Pfarrer mit päpstlicher Vollmacht sieht. Die Einheit der katholischen Kirche – das eröffnet einen ganz anderen Blick auf dieses Amt. Und noch etwas habe ich durch Johannes Paul II. gelernt: Die Kirche ist nicht deutsch, sie ist weltweit. Konsequenterweise weht auf meinem Haus die Vatikanflagge. Das macht uns Katholiken für den Staat zum Problem, stehen wir doch im Verdacht, grundsätzlich ultramontan, international römisch-katholisch zu denken. Auch wenn gerade die deutsche Kirche und so mancher deutscher Theologe sich oftmals für den Nabel der Welt hält.

Ja, ich habe mich an Johannes Paul II. gerieben, mich innerlich mit ihm gestritten, aber ich war auch – soviel Eigenlob steht mir zu – so fair, zu lesen, was er schrieb. Nicht alles,  aber doch vieles, was mich lehrte sein Anliegen zu verstehen und mir ungeahnte theologische Tiefblicke ermöglichte. Vielleicht muss man erst einmal verheiratet sein, um zu verstehen, warum die Kirche die Pille ablehnt. Vielleicht muss man erst einmal selber Kinder auf den Ernst des Lebens vorbereiten, um zu verstehen, warum es wichtig ist, dass uns in der Papst in wichtigen Fragen der Sitten- und Glaubenslehre den Weg weist. Vielleicht muss man selber mal erlebt haben, wie wichtig es ist, dass in einem schwierigen, langwierigen, dialogischen Entscheidungsprozess irgendwann mal jemand den Mut hat, die endgültige und verbindliche  Entscheidung zu fällen, um zu verstehen, was die Kirche mit Unfehlbarkeit meint.
Wie auch immer: Im Laufe der Jahre hat sich meine Einstellung zu Johannes Paul II. langsam aber merklich verändert. Als er starb, brach für mich eine Welt zusammen: Ich gehöre zur Generation JP2. Über 26 Jahre lang hörte ich in der Hl. Messe das mir völlig vertraute „für unseren Papst Johannes Paul II.“ im Hochgebet – plötzlich war es weg.

Johannes Paul II. hat die Kirche geprägt: Mit seinen Taten (seinem mutigen Kampf gegen den Kommunismus), seiner Lehre (insbesondere seiner „Theologie des Leibes“) und mit seinem ganzen Wesen, insbesondere mit seinem Sterben. Keiner hat die jugendverliebte Welt mit ihrem Gesundheitswahn so sehr provoziert, wie dieser Papst, der seine Krankheit und sein Alter nicht versteckte. Dass ausgerechnet die Jugend der Welt nach Rom eilt, um ihn in seinen letzten Stunden zu begleiten, ist das wohl größte und wunderbarste Geheimnis seines Pontifikats. Die Hoffnung, irgendwann mal diesen Namen noch einmal im Gebet zu hören,  „auf die Fürsprache des Seligen/Heiligen Papstes Johannes Paul II.“ holt ein Stück Kindheit und Jugend, ein großes Kapitel meiner Lebensgeschichte in die Kirche zurück. Für Reinhard Mey war er der schlimme alte Mann in Rom, aber da kann ich nur sagen: Reinhard Mey wird vergehen, Johannes Paul II. wird wohl zur Ehre der Altäre erhoben und damit in der Kirche unvergessen bleiben.


Das verbindet uns mit den Christen durch alle Zeiten hindurch: Die große Schar der Heiligen, die uns im Glauben als leuchtendes Vorbild vorangingen! Dass dir, Hl. Bischof Gellert, bald ein weiterer himmlischer Kollege zur Seite gestellt wird, dafür schicke ich mein Stoßgebet zum Himmel: St. Gellert, hilf!



Samstag, 1. Januar 2011

Jungfrau und Gottesmutter Maria

Der Hausherr persönlich neigte sich an Weihnachten zu mir und sagte: Ich habe da mal eine theologische Frage!

Er selbst bezeichnet sich als gläubig, nicht praktizierend evangelisch, agnostisch. Glaubt schon an ein höheres Wesen, aber das Bodenpersonal gefällt ihm nicht. Dennoch: In all den Jahren habe ich ihn als einen sehr interessierten Gesprächspartner erlebt. Fair im Umgang, nicht verletzend. Wenn er fragt, dann will er wirklich eine Antwort – und zwar eine fundierte.

An diesem beschaulichen Weihnachtsabend im Kreise der Familie lautete die Frage: Was sagt die Kirche denn offiziell zur Jungfrauengeburt? Nun, dazu kann man ja einiges sagen. Bemerkenswert: Das plötzliche Schweigen in der Runde, in der es rein mathematisch unentschieden steht: Drei Agnostiker, Nichtkirchliche, Kultur- und Wertechristen auf der einen Seite des Tisches, auf der anderen die Kirchgängerin, der Diakon und die Gemeindereferentin. Was also sagen? Wo anfangen?

Die Kirche lehrt, dass Maria vor, während und nach der Geburt Jungfrau war. Fertig. Aber das muss man natürlich erklären, will man sich nicht den Vorwurf an den Kopf werfen lassen, die Kirche hätte was gegen Sexualität. Also schiebt man nach: Dass das zunächst eine Aussage über Jesus und weniger über Maria sei. Dass es um die Einmaligkeit Jesu als Sohn Gottes geht. Nun ist der Hausherr aber auch vorgebildet: Da steht im Hebräischen bei Jes 7,14 doch nichts von Jungfrau, sondern eben nur das Wörtchen alma, das man doch in zweierlei Weise übersetzen könne, eben mit „Jungfrau“ oder auch mit „junge Frau“.Und die Septuaginta, die griech. Bibelversion hat sich dann für parthenos (Jungfrau) entschieden – was mittlerweile ja recht bekannt ist. Aber der Ton, in dem das dann vorgetragen wird, klingt so leicht abwertend: Das haben die Übersetzer eben so entschieden, hätte ja auch anders sein können. Ist also nur eine Frage der Sprache.
Und so hat man es auch historisch-kritisch im Studium zu sehen und erklären gelernt: vor allem eben kritisch. Dass es dabei in der Bibel in erster Linie weder um Historie, noch um Kritik geht, wurde leider ausgeblendet. So steht die Kirche mit ihrer Lehre ein wenig altertümlich und verschroben, geradezu verklemmt da. Und nun fragt der modern aufgeklärte Mensch in Person des schon etwas älteren Hausherrn: Gut, wenn ihr unbedingt an dieser göttlichen Zeugung festhalten wollt, warum dann nicht wenigstens durch Josef in Maria? Klingt ja irgendwie logisch, fast schon umgekehrt emanzipatorisch: Wenn schon Gott ein junges Mädchen fragt, ob sie bei der Menschwerdung Gottes mitwirken möchte, dann könnte er doch wenigstens der Gerechtigkeit halber auch Josef fragen. Und dann könnten beide doch miteinander….
Aber wäre das denn ein Weg gewesen? Eines steht fest: Dan Brown, der alte Verschwörungsilluminat hätte daraus ein Riesenbuch gemacht, noch dicker und fantastischer als Sakrileg. Da steht ja nur drin, dass Jesus mit Maria Magdalena eine Familie gründete. Wenn aber schon Josef vorher mit Maria….! Man stelle sich das mal vor: Gut 320 Jahre nach Jesu Geburt kommt der christliche Glaube vollends in der römischen Gesellschaft an, 900 Jahre nach der Geburt werden die Bischöfe in das ottonisch-salische Reichskirchensystem eingebunden, werden Machthaber und Fürsten und schließlich kumuliert das ganze im Investiturstreit 1077 auf der Burg bei Canossa – und just in diesem Moment hätte sich da eine Sippe aus Nazareth gemeldet: Wir sind übrigens die Halbbrüder Jesu. Und da unser Vater Josef das göttliche Kind gezeugt, unsere Mutter Maria diesen Gottessohn geboren hat, sind wir wenigstens Halbgötter, Prinzen im Reich Gottes. Also nicht Papst oder Kaiser, sondern wir sind die Herren der Welt.
Es gilt der alte Rechtsgrundsatz: Mater semper certa - die Mutter ist immer sicher. Und da deren Jungfräulichkeit (im Gegensatz zur männlichen) überprüfbar war, hat Gott gut daran getan, den Hl. Josef aus dieser himmlischen Liebesbeziehung rauszuhalten. Es gibt nur EINEN Sohn Gottes, der durch das Wirken des Hl. Geistes in Maria gezeugt und von Maria geboren wurde. Nicht aus dem Willen des Mannes, nicht aus dem Willen des Fleisches (Joh 1,13), daher ist die Jungfräulichkeit Mariens das Qualitätssiegel des Gottessohnes: Jesus – Made in Heaven. Das ist die weiblichste Seite der Kirche: Durch Maria erfährt die Kirche und insbesondere die Frau in der Kirche eine ungeahnte, unermessliche Wertschätzung: Die Frau (nicht der Mann) war dazu berufen, den Sohn Gottes in ihrem Leib zu formen. Wenn doch nur mehr Frauen in der Kirche sich ihrer marianischen Würde bewusst wären! Aber das ist ein anderes Thema.

Also, fragt der Hausherr: War sie nun Jungfrau oder nicht? Und ich antworte: Wenn man das für ein bloßes theologisches Symbol hält, wie es die historisch-kritische Exegese so kämpferisch behauptet, machen wir dann den unendlich großen Gott nicht unsagbar klein? Dann landen wir schnell bei Drewermann & Co: Alles ist Tiefenpsychologie, alles nur Bilder, Symbole, Metaphern und Archetypen. Da stellt sich die berechtigte Frage: Wo ist die Grenze? Wenn die Jungfräulichkeit nur ein Symbol ist, sind die Wundererzählungen dann auch nur Bilder? Und das Kreuz? Und erst recht: die Auferstehung? Wirklichkeit oder nur ein Symbol für die Sehnsucht nach dem ewigen Leben? Wo fängt die Wirklichkeit an?

Mein Fazit: Wenn man wirklich glaubt, dass Gott der Schöpfer des Universums ist, dass er tatsächlich in Jesus Christus Mensch geworden ist, dass dieser Jesus wirklich Tote erweckt und Kranke geheilt hat, dass er schließlich real am Kreuz gestorben und realiter den Tod besiegt hat – wenn Gott das alles bewirkt hat, dann kann ich nicht glauben, dass Gottes Macht an der Jungfräulichkeit der Gottesmutter scheitern soll.