Donnerstag, 16. Dezember 2010

Kreuz weg

Lieber Bischof St. Gellert!

Immer wieder geistert es durch die Presse: Ein Vater, eine Mutter klagt das Kreuz aus der Schule. Die Kreuze müssen weg. Und nicht nur die: Alles Religiöse soll aus der Öffentlichkeit verbannt werden. Nun hat ausgerechnet ein evangelischer Volksvertreter gefordert, der Papst solle bei seinem Besuch in Deutschland auch eine Hl. Messe in Berlin zelebrieren – und zwar öffentlich.
Die Öffentlichkeit suchen, das ist sicherlich ein hehres Ziel für die Kirche. Denn aus der Öffentlichkeit werden wir ja zunehmend verbannt. Oder verbannen wir uns selbst? Ich frage mich zunehmend: Wo kommen all die Politiker her, die in Brüssel oder sonst wo dafür plädieren, dass Kreuze abgehängt, Krippen vom Weihnachtsmarkt verschwinden und der Hl. Nikolaus aus dem Kindergarten verbannt wird? Haben wir Geistliche ihnen nicht geradezu das Motto vorgelebt: Kreuz weg!
Ich war auf einem Gymnasium der Steyler Missionare. Wie so viele Ordensgemeinschaften, so haben auch die Steyler nach dem Konzil ihre Soutane abgelegt. Das Ergebnis war optisch katastrophal: Man besorgte sich nach dem Konzil Anzüge, die schon zu dieser Zeit modisch veraltet waren. Und die wurden immer schön weiter gereicht. Als ich in den 80ern auf diesem Gymnasium war, konnte man die Patres allein schon anhand ihrer Kleidung erkennen. Das war dann aber auch alles: Noch nicht einmal ein Kreuz. Also nicht nur modisch, sondern auch geistlich katastrophal.
Einen unerschütterlichen, modisch zeitlosen Fels in der Brandung gab es noch: ein Pater, der sich sträubte und stets in der Soutane herumlief. Das hatte Stil, das forderte Respekt und hatte eine Botschaft. Er verkörperte eben nicht den viel beschworenen Geist des Konzils, sondern den Geist der Schule, die immerhin ein kirchliches Gymnasium war.
Ich kann nicht verstehen, wenn wir heute darüber klagen, das Christentum und die Kirche würden immer mehr aus der Öffentlichkeit verbannt und ins Private abgedrängt. Viele aus unseren eigenen Reihen haben diesen Weg doch vorgezeichnet und tun es noch heute. Zahllose Geistliche sind als solche nicht zu erkennen, tragen noch nicht einmal ein Kreuz.

Die Argumente kann ich hören, aber nicht nachvollziehen: Man möchte auch mal frei haben. Aber: Übernimmt man mit der Weihe einen Job oder eine Lebensform? Wie würde meine Frau wohl reagieren, wenn ich mittags um drei meinen Ehering ablegen würde? „Hallo Schatz, für heute genug Ehe. Habe jetzt Feierabend!“ Dass so ausgerechnet die denken, die es durch Studium doch besser wissen müssten, ist äußerst erschreckend. Folgerichtig auch die Anfrage einer Pastoralreferentin (sic!), die mich bei einer Fortbildung fragte: „Warum trägst du denn Collarhemd, wenn du hier doch gar keine Funktion hast?“ Wobei sich der Verdacht aufdrängt, dass sie mir selbst bei „aktiver Funktionsausübung“ das Collarhemd nicht gönnen würde.
Ein anders Argument: Man möchte keinen bedrängen: Ja, das hab ich auch schon erfahren. Als ein Freund seine Gelübde bei den Jesuiten ablegte. Da kam ich doch bei der anschließenden Feier an einen Tisch und wurde von einem Herrn aufs heftigste angegriffen. Der kannte mich zwar nicht, aber mein Collarhemd war für ihn der „Inbegriff der Herabwürdigung der Laien“. Das ist nämlich die Folge dieser seltsamen Kleiderordnung: Indem der Geistliche die geistliche Kleidung ablegt, weil er angeblich die Communio mit den Laien betonen möchte, macht er so ziemlich alles nieder: Weder stimmt die Vorstellung von Communio, noch die vom Amt des Geistlichen, und die Würde des Laien wird dabei auch nicht betont. Schlimmer noch: Der Umstieg vom Collar zur Krawatte ist mehr als eine Moderfrage, wurde alsbald zur kirchenpolitischen Frage. Er hat den Graben zwischen Klerus und Laien nicht zugeschüttet, sondern erst so richtig aufgerissen, wenn nicht sogar erst geschaffen: Plötzlich mussten (und müssen noch immer) die sich verteidigen, die gemäß der kirchlichen Vorschriften in der Welt als Geistliche durch ihre Kleidung erkennbar sind.

Kreuze weg, Collar weg, Soutane weg. Wenn wir uns in der Öffentlichkeit nicht mehr zeigen, dann ist es nur folgerichtig, dass diese Öffentlichkeit uns nicht mehr wahrnimmt. Dabei müssten unsere Gläubigen doch dankbar sein für jeden, der sich heutzutage noch das Collarhemd anzieht und damit in der Öffentlichkeit Zeugnis für die Kirche ablegt. Denn eigentlich haben wir doch alle in der Taufe Christus angezogen und jeder müsste sich bewusst sein, dass er dieses Taufkleid Tag für Tag auf dem Leib trägt. Wir Geistlichen sollen hier Vorbild sein, das sichtbar tragen, was jeder Getaufte unsichtbar trägt. Und wir sollen in besonderer Weise auch im Handeln Vorbild für die Gläubigen sein. Das ist nicht immer leicht. Man erlebt hin und wieder auch Angriffe und Anfragen. Collarträger sind inner- und außerkirchlich leicht erkennbare Zielobjekte. So könnte man so manchem Geistlichen ohne Collar das Motto unterstellen: Kreuz weg vermeidet den Kreuzweg. Sind wir als Christen nicht gerade dazu berufen, unser Kreuz auf uns zu nehmen?

Aber es führt auch zu kuriosen und schönen Erfahrungen: Menschen, die mich mitten auf der Straße ansprechen, weil ich „doch von der Kirche bin“ und mir ihr halbes Leben erzählen. Menschen, die mir von ihrer Not erzählen und mich um einen Segen oder das Gebet bitten. Menschen, die in der Schule, beim Einkaufen oder wo auch immer ganz unverhofft der Kirche begegnen. Menschen, die in Gesprächen mit mir viel schneller zur Sache kommen, zum Ernst des Lebens, zur Tiefe, weil sie sehen, wofür ich stehe. Weiß ich denn, wie viele Menschen mich sehen und dabei auch nur für einen Augenblick daran erinnert werden, dass es mitten im Alltagstrubel auch noch Gott und die Kirche gibt?
Zwei Fragen klingen mir noch im Ohr. Einer fragte mich nach der Weihe: „Laufen Sie jetzt immer so rum?“ und Wortwahl und Ton machten deutlich, was er davon hielt. Ein anderer fragte mich mal: „Tragen Sie das auch im Urlaub?“ – und das war eine echte Frage i.S.: Sind Sie wirklich immer unser Diakon? Und ich antworte aus ganzem Herzen: Ja!

Da lobe ich mir deine Aufrichtigkeit, Hl.Gellert: Als dein Gönner König Stephan von Ungarn starb, hat sein Nachfolger Andreas das Christentum wieder verboten. Du hast dich nicht versteckt, sondern um so mehr den Glauben verkündet. Das hat dich dann Kopf und Kragen gekostet. Hilf uns, dass wir den Mut finden, dich in unserem Land zu bezeugen, aufrichtig und mutig wie du! Von dir lernen bedeutet dann: Kreuze nicht weg, vielmehr Kreuze raus! Jeder sollte offen eins tragen. Und wir, die wir durch die Weihe berufen sind, in besonderer Weise Zeugnis abzulegen, sollten mit gutem Beispiel vorangehen. Hl. Gellert hilf!

3 Kommentare:

  1. in der tat werden korrekt gekleidete priester immer mehr zur zielscheibe - und zwar hauptsächlich durch das innerkirchliche establishment. andrerseits ist es eine gute schule für die demut, auf unterstellungen und üble nachrede ("der will sich nur wichtig machen", "will sich abgrenzen", "will sein angeknackstes ego aufmöbeln") mit gelassenheit zu reagieren. hier kann man schon mal für den "ernstfall" üben, denn wer weiß, was noch kommt....

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  2. Ganz ehrlich, ich halte nix von Pfarrern, die nicht "pfarrermäßig" angezogen sind.
    Hat das auch schonmal jemand gesagt?

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  3. Ja, si mancher sagt das mal hin und wieder. Nur hören will es anscheindn n iemand. das Verrückte: Je "niedriger" ein Geistlicher ist, um so verkrampfter geht man mit dem Collar um. Ich habe noch nie gehört, dass jemand von einem Bischof, Kardinal oder gar vom Papst verlangt hat, die Soutane abzulegen. Aber wenn ein Pfarrer Soutane trägt (oder ein Diakon Collar), dann wird der erst einmal in die konservativste ultrarechteste tarditionalistischtse Ecke gesteckt.

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