Sonntag, 13. März 2011

Doch: Ich bin verboten gut!

Der Frühling kommt, die Fastenzeit ist da und schon bald nehmen wir Ostern und die Erstkommunion in den Blick. Und wie jedes Jahr zu dieser Zeit werden die längstvertrauten Fragen gestellt werden: "Wo sind denn die Kommunionkinder? Warum kommen die nicht in die Kirche?"
Und dann erwartet man die Antwort aller Antworten, oder besser noch: die Lösung aller Fragen und Probleme. Es muss doch zu schaffen sein! Wir müssen das doch hinbekommen! Wir müssen so gut werden, dass die gerne kommen und bleiben, die Kinder, ihre Eltern und alle anderen auch. Und wenn sie eben nicht kommen, dann haben wir was falsch gemacht. Dann haben wir sie nicht gepackt, dann haben wir es nicht geschafft, ihnen den Sinn der Heiligen Messe so zu erklären, dass sie jetzt ihr Leben lang jeden Sonntag in der Kirchenbank sitzen und die Eltern sich am besten gleich in tausend Gruppen engagieren und natürlich als Kandidaten für den Pfarrgemeinderat zur Verfügung stellen.

So geht das seit Jahren. Wie die Schlange auf das Kaninchen, so starren wir regelmäßig auf die Zielgruppe "Sakramentenpastoral". Heißt im Klartext: Wir hoffen, wir erwarten das geradezu Unmögliche, dass nämlich Menschen, die bisher wenig mit uns zu tun hatten, deren Glaubenswissen in vielen Fällen äußerst gering ist und die ihren Lebensrhythmus auch schon längst organisiert haben, sich plötzlich aufgrund der Kommunion- oder Firmvorbereitung in aktive, in beständige Gemeindemitglieder verwandeln. Und wenn das nicht geschieht, dann schauen wir schuldbewusst nach unten und sagen: "Mea culpa, ich habe es nicht geschafft!" Schon wieder nicht, auch in diesem Jahr, in diesem Kurs nur wenig Erfolg gehabt.

Also dreht man an der pastoralen Schraube: Noch eine Aktivität mehr in den Kurs einbauen, noch einen tollen Programmpunkt, noch mehr Termine, mehr Aufwand, mehr Action und stets auf dem neuesten Stand der Technik! Der Verantwortliche wird zum Medienallrounder mit spirituellem Tiefgang: Er soll fröhlich sein und freundlich zu jedermann, soll mit den Kindern herumtoben, Gitarre spielen und singen, tolle Spiele kennen, unzählige Basteltechniken aus dem Kopf beherrschen, muss sich mindestens mit Diaprojektor und Overhead auskennen, besser noch mit Laptop und Beamer, kennt seine Legematerialien in und auswendig und weiß genau, wie viele rote, blaue, grüne und sonstige Tücher dazu gehören. Perfekter Umgang mit Egli-Figuren wäre auch nicht schlecht. Und natürlich Methodenvielfalt: Bibliodrama, Bibliolog, Gruppen-, Stationen- und Paararbeit, am besten auch noch je nach Lernstand differenzierte Arbeitsaufträge. Außerdem muss er lustig sein und bei Kindern und Eltern gleichermaßen gut ankommen, wobei er keineswegs zu fordend und streng sein darf. In jedem Fall muss er ein supertoller Geschichtenerzähler sein. Das müsen nicht unbedingt die Geschichten der Bibel sein, sondern es darf selbstverständlich auch eine der vielen, vielen putzigen Symbolgeschichtlein sein, die wenig Tiefgang, dafür aber eine große Verbreitung haben. Und das Wichtigste überhaupt: Er muss für alles und jeden Verständnis haben.

Und so habe ich in den letzten Jahren immer wieder am Rädchen gedreht und z.B. die Kommunionvorbereitung geradezu perfektioniert. Provokant selbstbewusst stelle ich fest: Mein Kurs kann sich sehen lassen: Kommunionkindertage am Anfang und am Ende, ansprechende Mappe, Ausflug ins Kloster, HolyWins statt Halloween, Übernachtung im Pfarrheim, Anbetung, dreitägiger Aufenthalt in einem Jugendhaus, Ausflug in den Dom, Grillfest, Adventsfeier und Gruppenstunden, die wirklich in die Tiefe gehen. So weit so gut. Den Kindern macht es Spaß. Hinzu kommen noch die vielen anderen Angebote: Familien- und Kindergottesdienste, Krippenspiel und Gruppenstunde.

Und dennoch: Die Frage bleibt bestehen. Wo sind sie geblieben? Aber anders als in den letzten Jahren werde ich dieses Mal nicht sagen: "Ich habe, wir haben es wieder nicht geschafft!", um dann wieder und wieder zu überlegen, ob ich dem Kurs noch ein weiteres Highlight hinzufüge.

Nein, meine Arbeit ist gut. Und die Gemeinde auch. Dass so wenige bleiben - davon bin ich inzwischen überzeugt - hat kaum was mit uns zu tun. Denn der allgemeine Trend geht zur immer größer werdenden Unverbindlichkeit. Die Feuerwehr in Hessen verliert derzeit pro Jahr eintausend Helfer - warum sollte es der Kirche anders gehen? Unsere Kommunionkinder, ihre Familien, die Firmlinge, diejenigen, die uns für Kasualien in Anspruch nehmen, sie alle haben zum größten Teil ihr Leben schon ganz anders organisiert. Und sie sind nur teilweise bereit, nun alles für die Kirche umzuwerfen. Höchstens für eine bestimmte Zeit, aber auf keinen Fall verbindlich. Verbindlichkeit ist out, man engagiert sich in Projekten, löst die Zehner- statt der Dauerkarte.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich plädiere nicht dafür, diesen Zustand hinzunehmen. Wir sind kein x-beliebiger Verein. Bei uns geht es nicht um Tore, Punkte und den Tabellenplatz. Bei uns geht es um unendlich viel mehr: um das Heil der Seele, um die Beziehung zu Gott. Daher dürfen wir selbstverständlich nicht hinnehmen, dass so viele der Hl. Messe fern bleiben, denn hier erhält die Seele in der Begegnung mit Christus in seinem Wort und in Gestalt von Brot und Wein Nahrung für den Weg zum Himmel. Das müssen wir um der Menschen willen mit dem gebotenen Ernst verkünden - wobei anzumerken ist, dass viele aus den eigenen Reihen das auch nicht mehr so dramatisch sehen, sondern den Gottesdienst unter der Rubrik "spirituelles Wellnesangebot" einordnen. Da geht man dann hin, wenn man es braucht und auch nur, wenn es einem was bringt.

Aber ich möchte uns ein wenig unseres Selbstbewusstseins zurückgeben: Es liegt nicht automatisch (nur) an uns. An unseren Angeboten oder Materialien und Konzepten. Wir müssen uns nicht jeden Schuh anziehen, sondern dürfen biblisch gesprochen auch selbstbewusst den Staub von den Füßen schütteln und weiter ziehen (Mt 10,14). Sicher: wir müssen immer wieder selbstkritisch sein, auch was unsere Verkündigung angeht. Aber wir müssen uns nicht unser eigenes Gutsein verbieten, nur damit die anderen nicht schlecht sind. es ist eine traurige Tatsache: Es gibt Häuser, in denen man uns nicht hören will, oder zumindest nicht alles, was wir sagen. Oder auch nur für eine bestimmte Zeit. Ganz gleich, mit welchem Aufwand und welchen Methoden und Konzepten wir versuchen, die Leute zu erreichen.

Ich rufe die in der Pastoral Tätigen auf, weiterhin sorgfältig und mit großem Engagement zu arbeiten, aber sich nicht nicht immer wieder den Frust zu holen. Manfred Lütz würde wahrscheinlich bei mancher PGR-Sitzung auf die Tagesordnung schauen und die Punkte 1-4 als "sorgfältig geplante Frustration" bezeichnen. Vornehmlich wohl diejenigen, die mit "Rückblick" beginnen, weil die sich allzuoft mit bloßen Zahlen beschäftigen. Wer den Erfolg der Kommunion- oder Firmvorbereitung daran misst, wie viele in der Kirchenbank sitzen, der wird schon während (!) des Kurses gefrustet sein und erst recht danach!

Generell stellt sich die Frage, ob Zahlen überhaupt ein Kriterium sein können für die Kirche und ihren Auftrag, das Evangelium zu verkünden. Die Zahlen gehen eindeutig zurück - nicht nur bei uns. Gerade kleinere Pfarreien in ländlichen Gebieten müssen sich von dieser Pastoralmathematik befreien, denn sie erzeugt bei denen, die "noch übrig sind" nur Frustration. Es könnte daher sehr hilfreich sein, den Blick zu weiten: Weg von der Gruppenpastoral der Pfarrgemeinde hin zur gesamtkirchlichen Weite.

Zu Zeiten des Hl. Gerhards gab es keine Gruppenpastoral im heutigen Sinne: Es gab die Seelsorge, die immer eingebunden war in das Gesamtgefüge der Kirche. Dass sich unser Blick wieder weiten möge, das ist mir ein Stoßgebet wert: St. Gellert hilf!




5 Kommentare:

  1. das ist balsam manche gequälte katechetenseele, danke!

    AntwortenLöschen
  2. >>sondern den Gottesdienst unter der Rubrik "spirituelles Wellnesangebot" einordnen.<<

    Das erste was mir dazu eingefallen ist, in dem Fall leider, ist die Webseite des katholischen Dekanats Darmstadt.
    http://www.kath-dekanat-darmstadt.de/

    Wenn man wissen will welche Gottesdienste stattfinden, findet man da keinen link auf der Hauptseite. Man muss unter dem link "spirituell" suchen. Dort sind sie versteckt, so wie man das im Dekanat eben mit "Nebensächlichkeiten" macht.

    AntwortenLöschen
  3. Als Katechetenseele weiß man, dass in über 30. Jahren die Firmkatechese so gut wie keinen Christennachwuchs hervorgebracht hat.
    Der Fisch stinkt vom Kopf her. Der Religionsunterricht vermittelt kaum Glaubenswissen bei den Jugendlichen. Die Eltern ziehen auch nicht mit. Das Sakrament wird wie ein Kursabschluss gefeiert und dann Tschüss.

    AntwortenLöschen
  4. Was soll ich mir unter "HolyWins statt Halloween" vorstellen? Liesse sich dies auch für den RU in einer Sek I/Hauptschule umsetzen?

    AntwortenLöschen
  5. Nähere Info gibt es hier:
    http://www.pg-da-ost.de/Diakon/Erstkommunion/holywins.htm

    2010 haben wir das sogar mit einer Eucharistischen Anbetung für Kinder verbunden - die Kinder waren sehr fasziniert! Und hinterher ist keiner mehr als Schreckgespenst auf der Straße herumgelaufen ;-)
    Den passenden Flyer dazu gibt es übrigens unter:
    http://www.pg-da-ost.de/Diakon/Flyer/flyer.htm

    Viele Grüße!

    AntwortenLöschen