Montag, 21. März 2011

Die letzten Ritter

Sean Connery lässt grüßen: In "Der erste Ritter" läuft der Altmeister des Kinos noch einmal zu Hochform auf und gibt der Sage um König Artus, Ritter Lancelot und der Tafelrunde einen ganz besonderen festlichen Glanz. Tapfere Ritter in schimmernder Rüstung - wer hat als Kind nicht von ihnen geträumt, hat nicht Ritter gespielt, Burgen gebaut und erobert. Die Ritterburg im Kinderzimmer lässt auch heute noch Kinderherzen höher schlagen.

Dass es heute noch echte Ritter geben soll, erscheint hingegen sehr unwahrscheinlich. Und doch sind sie uns vielerorts näher, als wir erahnen. Sie kämpfen schon längst nicht mehr gegen Drachen und sie erobern auch keine Burgen mehr. Wohl aber kämpfen sie noch immer um Leben und Tod. Es gibt sie tatsächlich mitten unter uns, nur verstehen sie sich nicht unbedingt selbst als Ritter und anscheinend wissen nur wenige Eingeweihte überhaupt, dass diese Männer und Frauen in der der Tradition der Ritter stehen. Eine Tradition, die schon fast 1000 Jahre zurückreicht.

Es begann in Jerusalem, als der (Selige) Gerhard von Sasso einen Ritterorden gründete. Ursprung dieses Ordens war ein kleines Haus in der Nähe der Grabeskirche. Wann und durch wen dieses Haus nun zu einem Pilgerhospiz umgebaut wurde, ist nicht ganz geklärt. Nur eines steht fest: Als die Kreuzfahrer 1099 Jerusalem erobern, da steht dieses Hospiz schon. Für seine Zeit hatte es einen außerordentlichen medizinischen Standard entwickelt, vor allem im Bereich der Hygiene und der Versorgung der Kranken. Und ebenso ungewöhnlich: Diejenigen, die sich da zu den Kranken hinabbeugten und sie umsorgten, waren nicht irgendwelche Diener, sondern adelige Ritter. Innerlich getragen waren (und sind sie bis heute) von dem Bibelwort, dass uns in den Armen und Kranken Jesus Christus begegnet.

Schon bald gingen die Ritter einen Schritt weiter: Statt die Pilger nur am Ziel ihrer Pilgerschschaft zu pflegen, versuchen sie nun auch, die Pilger auf ihrem Pilgerweg zu schützen. Zur Pflege kommt somit der Kampf zum Schutz der Pilger hinzu: tuitio fidei et obesequium pauperum - "Bezeugung des Glaubens und Hilfe für die Armen" - das wird der Leitsatz dieses Ritterordens, der sich nach Johannes dem Täufer als "Orden des seligen Johannes von Jerusalem" bezeichnet, oder kürzer und bekannter: als Johanniter.

Es ist diese Mischung aus Krankenpflege und mutigem Kampf, die die Johanniter so berühmt machen. Und zugleich sind sie die ersten, die ein internationales Netzwerk sozialer Dienste aufbauen. Schon bald finden sich zahlreiche Ordensniederlassungen in ganz Europa, werden an den großen Pilgerwegen Hospitäler gegründet, übernehmen sie Burgen, um die Pilger auf ihrer Pilgerfahrt zu schützen. Gerade das sichert ihr Überleben, als 1291 Outremer, der Traum vom Kreuzfahrerstaat endgültig mit dem Fall von Akkon zuende ist. Die Johanniter müssen das Helige Land verlassen, finden zunächst für kurze Zeit Asyl auf Zypern, dann neue Heimat auf Rhodos. Hier bauen sie die Insel zur Festung aus und sind dem Osmanischen Reich ein Stachel im Fleisch. Über zwei Jahrhunderte hinweg sichern die Johanniter von Rhodos aus das Mittelmeer und damit Europas südliche Küste. Die Johanniter schulen um: Aus den Rittern hoch zu Ross werden Marinesoldaten, die das Mittelmeer wie kein anderer kennen und gleichsam geachtet wie gefürchtet sind. Doch 1522 fällt Rhodos und nun erhalten die Johanniter einen letzten Zufluchtsort: Malta. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen: Malta wird zur Festung ausgebaut und bald sichern Galeeren mit der Flagge der Johanniter wieder das Mittelmeer. Suleiman der Prächtige, der die Johanniter nach ihrem heldenhaften Kampf auf Rhodos noch mit Respekt abziehen ließ, möchte 1565  reinen Tisch machen und die Ritter endgültig vernichten. Doch die Ritter auf Malta sind zäh, leisten der großen osmanischen Übermacht vehementen Widerstand und halten aus: Suleimans Versuch, die Insel zu erobern und die Johanniter zu vertreiben, wird zum Debakel für seine Tuppen, die sich schließlich geschlagen zurückziehen müssen. Jetzt schaut ganz Europa voller Respekt auf diese Ritter, die endgültig die Gefahr einer türkischen Invasion über das Mittelmeer gebannt haben. Die Ritter auf Malta werden als Retter Europas geehrt und sind spätestens ab jetzt als Malteser bekannt.

Doch der Ruhm verblasst: Mit dem zunehmenden Verfall des Osmanischen Reiches schwindet auch die Bedeutung der Malteser. Die Gefahr aus dem Osten scheint gebannt. Die Entdeckung der Neuen Welt lenkt den Blick der europäischen Mächte schon bald nach Westen, zudem zerfällt Europas Einheit durch die Wirren der Reformation. Der Malteserorden erscheint bald nur noch als ein Relikt aus Kreuzfahrerzeiten. 1798 besetzt Napoleon Malta ohne große Gegenwehr. Der bis dahin souveräne Orden verliert sein Territorium und irrt nun die nächsten Jahre heimatlos durch Europa, bis er sich schließlich in Rom niederlässt. Es scheint, als gäbe es keinen Bedarf mehr an Rittern.

Und doch wird dieser Verlust der territorialen Souveränität zum Segen für den Orden, der sich nun wieder stärker auf den Dienst an den Kranken konzentriert und gerade dadurch zu neuer Blüte erwacht. Der Orden überlebt - bis heute. Nach vielen Wirrungen und auch nach großen Opfern in den zahllosen Kriegen, bilden sich in vielen Ländern eigene Hilfdienste, die mit dem Orden eng verbunden sind. In Deutschland wird 1953 der Malteser Hilfsdienst (MHD) ins Leben gerufen. Aus Rittern werden Retter: Die Helfer und Mitarbeiter stehen in direkter Tradition der Malteserritter bzw. der Johanniter, sind gewissermaßen die letzten Ritter.

Ihr Kampf ist noch immer ein Kampf um Leben und Tod, nur kämpfen sie nicht mehr mit Schwert und Lanze, sondern mit moderner Technik, mit Defibrillator und Infusionen. Tag für Tag erfüllen sie auf unterschiedliche Weise das obsequium pauperum in ihrem Leitsatz: Und nach wie vor gilt: Sie müssen in kritischen Situationen Ruhe bewahren, Mut beweisen und beherzt zugreifen. Ritter und Retter liegen so nahe beieinander.

Selbst in kirchlichen Kreisen ist erstaunlich wenigen bekannt, dass der Malteser Hilfsdienst eine katholische Organisation ist. Dabei ist es um so wichtiger, dass die vielen Helfer in ihrem Dienst geschätzt und unterstützt werden, damit neben dem Dienst für die Kranken und Verletzten auch der erste Teil des Leitsatzes gelebt werden kann: die tuitio fidei, die Bezeugung des Glaubens.

Heute, lieber Bischof Gellert, vertraue ich dir daher die Helfer deines Kollegen und Namensvetters an: Zum Heiligen Bischof Gerhard von Sagredo gesellt sich der Selige Bruder Gerhard: Dass wir als Kirche den Blick für diejenigen nicht verlieren, die in unserem Namen den Kranken und Armen dienen, dass wir ihnen Heimat und Beistand bieten, das ist mir ein Stoßgebet zum Himmel wert: Heiliger und Seliger Gerhard, bittet für uns!

4 Kommentare:

  1. Danke für die Erklärung der Geschichte, hatte ich so nicht im Blick.

    AntwortenLöschen
  2. Schade eigentlich, dass es keine oder kaum noch Ritter gibt, die gegen Drachen kämpfen, oder?

    denkt sich Burgfräulein Bö
    äh - Märilu... :o)

    AntwortenLöschen
  3. Ich frage mich gerade: Wie bläst ein Drachen eigentlich die Geburtstagskerzen auf der Torte aus????

    AntwortenLöschen
  4. Danke, das wusste ich nicht.

    @vaticanus: Wann hat der Drache Geburtstag? An dem Tag, wo das Ei gelegt wurde oder am Schlüpftag?

    AntwortenLöschen