Mittwoch, 17. April 2013

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold


Vor kurzem ist sie mir wieder aufgefallen: Silbern ist die Medaille, die mir damals verliehen wurde. Als Anerkennung und Dank für 10 Jahre aktiven Dienst in der Notfallseelsorge. Zusammen mit einem netten, erfahren Kollegen, wurde mir diese Ehre zuteil. Der Leiter der Notfallseelsorge hat mir dazu ein Buch mit einer Widmung geschenkt. 

Die Worte sind mit bedacht gewählt und spiegeln den Weg wieder, den wir gemeinsam gegangen sind: In alle den Jahren mussten wir uns erst einmal finden. Es gab Fragen zum Konzept, zum Dienst, zu den Einsätzen. Wir waren und sind noch immer ein bunter Haufen von Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft. Notfallseelsorge ist Seelsorge im Grenzbereich zwischen Leben und Tod. Grenzbereiche fordern den ganzen Menschen und da bleibt nichts im Verborgenen. Wir mussten uns in all den Jahren auch immer wieder ganz neu aneinander gewöhnen: Konfessionelle Vorurteile, menschliche Unzulänglichkeiten, Vorlieben, Stärken und Schwächen. Das führte zwar nie zu ernsten Konflikten, aber in den zehn Jahren gab es doch auch immer wieder Gesprächsbedarf und ein sensibles Suchen nach dem gemeinsamen Weg. Ich durfte dabei viel lernen. Zum Beispiel, dass Reden Silber und Schweigen Gold ist.
Nicht Schweigen aus Angst oder Unterwürfigkeit, wohl aber Schweigen, um erst einmal besser hören zu können. Das gilt zumindest im Umgang mit den Kollegen - auch wenn mir das nicht immer gelingt.

Und auch in den Einsätzen ist Schweigen oftmals der goldene Weg: Oft genug habe ich beim Eintreffen am Einsatzort diese hohe Erwartung gespürt: Mitten im betroffenen Schweigen, in der Sprachlosigkeit und dem Ringen um Worte erwartet man vom eintreffenden Notfallseelsorger nun den erlösenden Satz, das Sprachwunder, das alles löst und irgendwie hilft. Die Versuchung ist groß: Es ist leichter, auch im Angesicht von Tod und Leid den anderen mit Worten zuzuschütten, die gut klingen, aber nicht im Herzen ankommen. Es ist viel schwieriger, das Unsagbare mit auszuhalten, das schreckliche Schweigen mitzutragen. Das erscheint so nutz- und wirkungslos. Aber dieses Schweigen sagt mehr als tausend Worte: Da ist jemand einfach nur da. Mitten in Leid und Not bin ich nicht allein. 

In den zehn Jahren habe ich inzwischen mehr als 100 Einsätze erlebt. Bis heute versage ich mir jede Routine. Gewiss: Man sammelt Erfahrung. Nicht jeder Einsatz fordert einen neu heraus, aber nicht jeder verlangt nach ganz neuen Strukturen. Aber wenn mich eines Tages ein Einsatz überhaupt nicht mehr berühren würde, dann wäre es an der Zeit, aufzuhören.

Dass wir inzwischen über alle Konfessionsgrenzen hinweg zueinander gefunden haben (und uns noch immer finden), uns gegenseitig mit unseren Stärken und auch mit unseren Eigenheiten wertschätzen, durfte ich vom mitgeehrten Kollegen erfahren. Er machte mir das schönste Kompliment: Mit dir würde ich jeden Einsatz noch einmal fahren.

Danke - ich mit dir auch!

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