Freitag, 17. Juni 2011

Abschied

Das war ein Einsatz wie aus alten Tagen: Der Mann war schwer krank und hatte schon viel mitgemacht. Nun lag er im Sterben und wollte nicht mehr ins Krankenhaus. Der Notarzt hatte Verständnis für ihn und so durfte in dieser Nacht der Mann friedlich zuhause einschlafen.

Der Notfallseelsorger denkt sich: Dass es so etwas noch geben darf. Das Leben beenden im Kreise derer, die man liebt. Abschied nehmen und nach einem langen Leiden auch gehen dürfen.
Dennoch: Der Abschied wird dadurch nicht leichter. Für die Ehefrau ist der Schmerz unendlich groß. Sie haben das Leben gemeinsam gelebt und zumindest dem äußeren Anschein nach erfolgreich: Haus, Hund, Garten und viele Urlaubsfotos.

Aber der Notfallseelsorger spürt auch die Risse: Da ist die Verwandte, die allzu hilfreich in der Wohnung herumwirbelt und ständig von sich erzählt - so aufdringlich, dass es dem Notarzt  irgendwann zuviel wird. Manche Menschen müssen sich ständig in den Mittelpunkt stellen, selbst im Angesicht des Todes. Jedes Wort, jede Situation, jede Erinnerung wird zum Anknüpfungspunkt an die eigene Biografie. Als müsse man sich selbst bestätigen, dass man noch lebt.

Und Notarzt und Notfallseelsorger spüren auch: Hier fehlt das gemeinsame Fundament. Man ist Zweckgemeinschaft, zusammengeworfen ohne Zusammenhalt., verwandt aber nicht verbunden. Der Verstorbene verbindet nicht, sondern sein Tod macht die Risse erst so richtig deutlich. Man kreiste ein Leben lang um sich, hat sich mehr oder weniger gegenseitig bestätigt. Da gibt es nichts, was von außen kommt und Ziel, Hoffnung, Kraft und Verheißung schenkt.

Daher überrascht der Satz mich nicht: Wir sind schon lange aus der Kirche ausgetreten, aber wir sind gläubig - irgendwie, irgendwann, mehr oder weniger. Wir sind nicht regelmäßig in die Kirche gegangen, aber im Urlaub haben wir uns immer Kirchen angeschaut. Kirche als Museum. Das höre ich so oft.

Langsam und vorsichtig suche ich die Trittstufen, die den Trauerprozess heilsam und sanft anstoßen. Der Weg ist nicht gerade und er ist rutschig: So viele verborgene Konflikte, so wenig Fundament und so wenig Halt. Wir lassen uns viel Zeit und erst als die Erzählungen über den Verstorbenen so langsam von der Gegenwart in die Vergangenheit wechseln, darf der Bestatter kommen.

Der Ehemann wird weggebracht: Über zwanzig Jahre gemeinsamen Lebens voller Hoch- und Tiefpunkte. Was bleibt? Liebevolle Erinnerungen - mit Sicherheit. Und auch Schmerz und Trauer, aber Hoffnung? Vielleicht auch die Ahnung, dass das Leben mehr als das Kreisen um die eigene Welt ist, dass es da einen gibt, der vor und über allem Leben steht, das Leben hält und trägt. Dann wäre dieses Ende eines Lebens der Anfang für ein neues Leben mit Gott.


Montag, 13. Juni 2011

Alles dasselbe?

Das nervt mich schon lange: Bei den Konfessionen kann ich die Probleme mit den Feinheiten noch verstehen. Dass mehr oder weniger Außenstehenden bzw. Nichtchristen der Unterschied zwischen katholisch und evangelisch nicht direkt präsent ist, ist nachvollziehbar. Selbt innerkirchlich geht ja auch leider das Gespür für die Unterschiede verloren oder sind vielen diese Unterschiede einfach egal.

Völlig unverständlich ist mir aber, dass Leute, die ihre Bildung mit einem gewissen Stolz vor sich hertragen, kurzerhand den Unterschied zwischen den Weltreligionen einebnen wollen. Ganz gemäß dem modernen Motto: Alles gleich. Und so hört man immer wieder den Satz: Wir glauben doch eh alle an denselben Gott!

Klar: Das ist der einfache Weg. Alles gleich gültig. Tolerant, weltoffen, nicht engstirnig und dogmatisch. Religion light, angepasst an die Moderne.

Vor einiger Zeit sagte mir das ein Chirurg, der Moslem ist. Weil er gerade an meinem Rücken herumschnitt, ersparte ich mir eine Antwort. Er hatte das Skalpell in der Hand und damit - zumindest vorläufig - das bessere Argument.

Um aber deutlich zu machen, dass wir Christen zwar mit Juden und Moslems an den EINEN Gott glauben, dennoch ein anderes Gottesbild haben, habe ich ein Video zusammen gebastelt.

Dass wir uns nicht verführen lassen, auf dem einfachen Weg zu gehen, sondern bereit sind, die Schönheit und Tiefe unseres Glaubens immer neu zu erfassen und mutig zu verkünden, dafür schicke ich ein Stoßgebet zum himmel: St. Gellert und Sel. Gerhard, helft!

Dienstag, 7. Juni 2011

Flurschaden

Mein Freund, der Baum, ist tot - die Sängerin Alexandra trällerte diese Worte 1968. Mir ist das Lied noch aus Kindertagen bekannt. Etwas oberhalb unseres Hauses lag eine große Wiese, auf der es eine Art Höhle gab, die durch Bäume und Büsche gebildet wurde. Das war für alle Kinder aus der Nachbarschaft der geheime Treffpunkt. Auf den Bäumen konnte man prima herumklettern (aber auch herunterfallen). Trotz Höhle und Klettern, trotz Äpfel - ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, einen Baum als meinen Freund zu bezeichnen.

Im Studium wurde mir der Baum nahe gebracht. Komisch nur: Ich studierte nicht Forstwirtschaft oder Biologie, sondern Praktische Theologie. Und bei den Bäumen wurde es sehr praktisch - Meditationen in allen Variationen: Baumscheibe betrachten, Jahresringe zählen, Rinde ertasten und riechen, Zweige knicken und die Bruchstelle meditieren - ach, was kann man damit alles machen! Und das Ganze irgendwie mit dem eigenen Leben verbinden: Eine Delle im Jahresring deutet auf eine alte Verwundung des Baumes hin - tragen wir nicht alle alte Verwundungen in uns? Können wir nicht unser ganzes Leben als Jahresringe darstellen? Wo sind wir verwurzelt? Wer knickt unsere zarten Zweiglein und erzeugt Bruchstellen? Was verleiht meinem Leben frische grüne Farbe, ist für mich die Luft, die mich am Leben hält? Wie sieht es mit meiner Rinde, mit meiner Außenhaut aus? Und so habe ich für meine Legematerialien fleißig Baumscheiben angefertigt und Tannenzapfen gesammelt, damit auch ich für die nächste Baumbetrachtung im Kindergottesdienst, Religionsunterricht und wo auch immer gerüstet bin. Nur ein Borkenkäfer fehlt mir noch.

Toll, was man alles aus einem Baum lesen kann! Symboldidaktisch sehr ergiebig und deshalb wird er auch ausgiebig in der Katechese und im Religionsunterricht verwendet. Schließlich ist der Baum ökumenisch, ja sogar religionsverbindend, muss doch schließlich jeder irgendwann mal Wurzeln schlagen.

Allerdings bleibt ein komisches Gefühl zurück: Was hat das Ganze mit Jesus zu tun? Es gibt eine uralte Verbindung zwischen Baum und Kreuz: Die Kirchenväter sehen im Baum des Kreuzes den neuen Baum des Paradieses, den neuen Baum des ewigen Lebens. Das weiß ich aber nicht vom Studium her: Da haben wir Bäume umarmt, Baumscheiben ertastet, Rinde gefühlt und Blätter zerrieben und gerochen, aber die Theologie ging irgendwie verloren. Wir haben das Symbol ertastet und erlebt, aber die Kirchenväter haben das Symbol gedeutet - und zwar theologisch.

Ortswechsel: Waldfriedhof. Bestattung unter einem Baum. Die Kirche hat damit so ihre Probleme: Bestattungskultur hat ihren Wert, Trauer braucht einen geschützten Ort. Der Tod ist nicht einfach die Rückkehr in die Natur. Wir glauben an die Auferstehung und nicht die Kompostierung. Dumm nur: Wir haben Probleme, unsere Position zu vermitteln. Und mir dämmert: Das ist  auch ein wenig hausgemacht. Sind die Waldfriedhöfler am Ende vielleicht diejenigen, denen wir in der Grundschule dein Freund, der Baum, nahe gebracht haben? Hausgemachter Flurschaden sozusagen. So mancher von den Waldfriedhöflern argumentiert mit auffallend ähnlichen Sätzen, wie ich sie in den Meditationen während meines Studiums hörte.

Symboldidaktik ist gut und schön, aber wie beim Beton kommt es auch darauf an, was man daraus macht. Vor allem: Aus WAS man was macht. Symbol ist nicht eben Symbol. In unserer Liturgie gibt es besonders in Kinder- und Familiengottesdiensten ein Inflation der Symbole. Man wundert sich, was da alles in die Kirche geschleppt wird wird. Mit ein wenig Fantasie kann man aus allem irgendwas weitläufig Christliches herausziehen. Jesus, der Schraubenzieher: Wenn bei dir eine Schraube locker ist, dann hilft er dir. Jesus, der Filzpantoffel - damit wir im Dunkeln keine kalten Füße bekommen....meine Frau ist überzeugt, ich könnte aus allem irgendwas machen.

Man sieht: Die Herausforderung ist eher rhetorischer als theologischer Natur. Nur bleibt es eben auch weitläufig, seltsam unkronkret, menschlich und manchmal auch irgendwie mit sanfter Gewalt zurechtgebogen.

Willi Hoffsümmer, der Papst der Symbolkatechese, hat in seinen Büchern zahlreiche Gottesdienste und Ansprachen mit Symbolen veröffentlicht. Manche davon sind theologisch schlichtweg falsch: Dass er z.B. die Dreifaltigkeit mit den verschiedenen Aggregatzuständen von Wasser erklärt, ist nur nett, aber theologisch gesehen Modalismus vom Feinsten - und der wurde von der frühen Kirche als Irrlehre verurteilt. Warum er nun vor Pfingsten und Dreifaltigkeit  in so vielen Gottesdiensten wieder auferstehen darf? Weil sich viele einfach sagen: Ein besseres Modell haben wir nicht, und so richtig verstehen können wir es auch nicht. Also nehmen wir halt das. Außerdem wirkt es und sieht es gut aus, wenn man da vorne mit Eis, Wasser und Dampf hantiert. Das bleibt den Kindern gut in Erinnerung. Was soll's, wenn die Erinnerung leider von einer falschen Wahrheit kündet.

Es wäre gut, wir würden uns auf das besinnen, was wir seit 2000 Jahren als himmlische Schätze in irdischen Gefäßen mit uns tragen: Symbole, Realsymbole, die sich bewährt, aber auch immer wieder die Gläubigen herausgefordert haben. Der Kirchenraum ist voll davon: Altar, Kreuz, Beichtstuhl, Palmzweige, Weihwasser, Taufbecken, Evangelienleuchter, Weihrauch, Kelch, Evangelium, Fahnen, liturgische Gewänder, unsere Gesten, Riten und vieles mehr. Gereift, bewährt in 2000 Jahren - also bitte keine neuen Symbole bevor die alten verbraucht sind!

Ich habe nichts gegen Bäume, aber ich habe großen Respekt vor Lehrern, Katecheten und Predigern, die nicht beim Baum stehen bleiben, sondern den Baum mit dem Kreuz verbinden. Ich habe Respekt vor denen, die sich den ureigensten christlichen Zeichen und Symbolen stellen, anstatt jeden Alltagsgegenstand solange herumzubiegen, bis er gequält und überstrapaziert ein paar christliche Gedanken hervorbringt, die oftmals über einen christlichen Humanismus nicht herausgehen.

Christentum ist zunächst die Beziehung zu Jesus Christus - dann erst zu den Bäumen im Wald. Das Waldsterben ist nicht bedeutungslos und unwichtig, wichtiger und bedeutungsvoller ist für uns aber das Sterben Jesu am Kreuz und die Wandlung des Kreuzes zum Baum des Lebens.

Und wenn uns die Theologie zu schwer wird, dann bleibt der Rat Wittgensteins: Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen. Und, so fügt der Diakon hinzu:


Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war,
da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab. 
(Weisheit 18,14)

Dienstag, 3. Mai 2011

Glücklich geschieden

Als ich las, was da in großen weißen Buchstaben auf der Rückscheibe stand, wunderte ich mich. Da stand tatsächlich: "2010 geschieden: Arm, aber glücklich!". Ich schaute auf das Kennzeichen. Nun gut, es gibt ja in den regionalen Befindlichkeiten immer wieder auch ein paar Ortschaften, deren Bewohner man bestimmte geistige Attribute zuteilt. In diesem Fall entsprach das Kennzeichen dem Klischee und lieferte somit eine erste Erklärung für diese seltsame Inschrift.

Aber dann wurde ich doch nachdenklicher und gerne hätte ich den Fahrer persönlich gesprochen: Wie meint er das? Ernsthaft? Ist das sozusagen mobile Satire auf seine Lebenssituation? Wenn schon geschieden, dann mache ich halt das Beste daraus und verkaufe die Scheidung als Glücksmoment? Oder ist es die Abrechnung mit der Ex, die zwar die offensichtliche Genugtuung haben darf, ihren Mann in den finanziellen Ruin getrieben zu haben, aber damit leben muss, dass er trotz allem oder sogar gerade deswegen glücklich ist?

Was bringt einen Menschen dazu, so etwas auf sein Auto zu kleben und dann auch noch in Riesenbuchstaben, damit alle Welt es lesen kann? Das ist doch keine Siegesnachricht, so nach dem Motto: Ich habe durchgehalten und am Ende gewonnen, bin jetzt arm, aber glücklich.


Es ist doch eine vielmehr Niederlage, eine sehr bittere noch dazu und das für alle Beteiligten. Vor einigen Monaten erzählte mir jemand von einem Mann, der nach seiner Scheidung feststellte, dass nun sein ganzer Lebensentwurf "gescheitert" sei. Der Erzähler wies das entrüstet zurück: Nein! Mit einer Scheidung ist man doch nicht gescheitert! Da gibt es doch noch so viele Möglichkeiten, ganz neue Freiheiten und bislang unerschlossene Wege zu neuem Glück. Eine Scheidung beendet nur einen Lebensabschnitt, aber keinen Lebensentwurf.


Eine weit verbreitete Meinung. Eine gesellschaftlich inszenierte Selbsttäuschung. Die Scheidungsrate steigt wieder. Und der Trend geht zur sauberen Scheidung, die (angeblich) niemand mehr weh tut: Schatz, wir trennen uns, aber es bleibt fast alles so, wie es war. Ich kenne inzwischen mindestens vier Kinder, die eine Woche bei ihrer Mutter, dann wieder eine Woche beim Vater wohnen. Inklusive neuen Partnern und selbstverständlich verseht jeder sich mit jedem. Zumindest vordergründig. Man ist Papa oder Mama für eine Woche und genau so regelt man das ausgelagerte Familienleben. Kinder mit doppeltem Wohnsitz und doch völlig heimatlos. Denn der schöne Schein funktioniert nicht so recht: Die Kinder merken sehr wohl, dass da was nicht stimmt. Wenn sich doch alle vertragen - warum trennt man sich dann? Und was ihnen am meisten fehlt, ist die ganz alltägliche Banalität. Der Papa ohne Extraprogramm, der einfach nur da ist. Die Mama, die mich nicht nur wochenweise kennt, sondern richtig. Und den Eltern geht es auch nicht besser: Eine Woche Ruhe und leben nach dem neuen Lebensentwurf, dann wieder eine Woche, in der man sich als der bessere Elternteil beweisen muss. Normal ist da nichts, auch wenn man es noch so oft behauptet. 

Und ist es nicht bei genauerem Hinsehen ein Schlag ins persönliche Kontor? Wer auf sein Auto draufschreibt, dass er geschieden, arm, aber glücklich ist, der hat wohl jede Form der Selbstreflexion aufgegeben. Denn zwischen den Zeilen kann man eine solche vordergründige Siegesbotschaft auch anders lesen: Ich habe mich getäuscht, in mir selber und in dem Menschen, dem ich einst mal am Altar die ewige Treue geschworen habe - bis der Tod uns scheidet, in guten und in schlechten Tagen. Mein Partner, meine Partnerin hat es mit mir nicht ausgehalten. Da will jemand nicht mehr mit mir das Bett teilen, ja, noch nicht einmal mehr unter einem Dach wohnen. Da ist für einen Menschen, der mich mal geliebt hat, meine Nähe unerträglich geworden. Da empfindet jemand mein Weggehen  als Befreiung. 

Geschieden, aber glücklich? Nein! ich wäre in so einem Fall geschieden und depressiv! Denn dass jemand mit mir nicht mehr zusammen leben will, das muss ich doch persönlich nehmen, oder etwa nicht? Da ist doch etwas schief gelaufen in unserer Beziehung, dass da plötzlich kein Platz mehr für mich ist, sei es weil ich für den anderen unerträglich geworden bin oder jemand meinen Platz eingenommen hat.

Am Anfang stand dieses bedingungslose Eheversprechen, das bis zum Tod halten soll. Im Namen Gottes und seiner Kirche verbunden. Und am Ende steht da nur noch der Spruch des Richters: Im Namen des Volkes geschieden.

Eine Gesellschaft, die solch ein Scheitern als Normalität und sogar als Sieg verkauft, macht ihre eigene Grundlage zunichte. Nicht nur die Keimzelle des Staates, nämlich die Familie. Auch die damit verbundenen Werte, die in dieser Form nur noch (konservative) Katholiken hochhalten: Treue, den Willen, sich auch in schwierigen Zeiten aneinander zu reiben und miteinander auszukommen, sich immer wieder neu aufeinander zuzubewegen und als Paar gemeinsam auszurichten. Nicht die Flinte ins Korn werfen, sondern auf dem Fundament der ewigen Treue aufbauen: Gerade das lässt einen erst so richtig schön und in gutem Sinne streiten, in dem Bewusstsein, dass der andere nicht gleich die Koffer packt. 

Und die Kinder spüren sehr wohl, dass da etwas schief läuft, denn gerade sie wünschen sich nichts sehnlicher als Stabilität und bedingungslose Annahme. Wie sollen sie das später leben, wenn sie es selber nicht erleben? 

Inzwischen hat jeder Affe im Zoo und jeder Baum im Stadtpark seinen Paten. Wir haben Patenprojekte für alles. Vielleicht sollten wir Katholiken uns als Beziehungspaten zur Verfügung stellen: Familien, die Kinder einladen, Familie zu erleben. Beziehungen, die halten, was man sich einst vor dem Altar versprochen hat. Unser Zuhause ist dann mehr als unser eigenes Heim: es ist auch ein Zuhause für andere, ein Ort der Begegnung und des Lernens.

Mittwoch, 6. April 2011

Kleine Wunder und große Fragen

Manchmal ist Religionsunterricht auch ganz einfach - oder gerade dann auch besonders schwer: Jenseits aller didaktischen, methodischen und medienpädagogischen Erwägungen kann man hin und wieder einfach mal die Schüler Fragen stellen lassen: Fragen zu Gott und der Welt.

Und dann erlebt man so seine Wunder: Die haben viele Fragen: Wo wohnt Gott? Woher kommt Gott? Warum musste Jesus sterben?.... So etwas liegt nicht jedem Lehrer: Spontane Fragen erfordern spontane Antworten und das einzige Medium, die einzige Methode, die man zur Verfügung hat, ist man selber. Aber gerade das wiederum macht den Unterricht dann zu einem lebendigen Glaubenszeugnis.

Eine Frage bewegt mich besonders: Warum gibt es heute keine Wunder mehr? Die Welt wäre doch einfacher, schöner, friedlicher, einfach heil, wenn es heute noch Wunder gäbe: Keine Blinden, Kranken, Frieden überall. Das Paradies auf Erden.

Doch es gibt sie schon noch, diese kleinen und auch die großen Wunder des Alltags: Da ist zum Beispiel dieses Kind, von dem ich vor einigen Wochen erzählte (s. Beitrag Starke Kinder in Not). Noch immer stehe ich mit der Familie in Kontakt. Ihr Leben hat sich vollkommen verändert. Was gestern noch wichtig war, ist heute mehr als zweitrangig. Die Familie ist zusammen gewachsen, hat sich in den letzten Wochen ganz neu gefunden und gegenseitig getragen. Das Leben hat einen ganz neuen Wert.

Und das Wunder: Die Kleine hat den Unfall überlebt. Noch ist sie nicht ganz aufgewacht, aber Tag für Tag geschieht ein kleines Wunder: Kleine Bewegungen, selbständiges Schlucken, kleine Reaktionen. Und alle sind zuversichtlich, dass sie es auch weiter packen wird. Das ist im Kleinen ein großes Wunder, keines, das die Welt bewegt, wohl aber für manche die ganze Welt bedeutet.
Die Mutter hat mich gebeten, allen zu danken, die für die Kleine und ihre Familie gebetet haben und es noch immer tun.

Und was antworte ich meiner Schülerin? Wenn ich ehrlich bin, besteht das größte Wunder darin, dass ich sie überhaupt zweimal in der Woche unterrichten darf. Dass sie den Mut hat, mir Fragen zu stellen, die unter die Haut gehen und mich im Glauben herausfordern. Das ist nicht selbstverständlich. Vielleicht sollte ich ihr genau das sagen?

Montag, 21. März 2011

Die letzten Ritter

Sean Connery lässt grüßen: In "Der erste Ritter" läuft der Altmeister des Kinos noch einmal zu Hochform auf und gibt der Sage um König Artus, Ritter Lancelot und der Tafelrunde einen ganz besonderen festlichen Glanz. Tapfere Ritter in schimmernder Rüstung - wer hat als Kind nicht von ihnen geträumt, hat nicht Ritter gespielt, Burgen gebaut und erobert. Die Ritterburg im Kinderzimmer lässt auch heute noch Kinderherzen höher schlagen.

Dass es heute noch echte Ritter geben soll, erscheint hingegen sehr unwahrscheinlich. Und doch sind sie uns vielerorts näher, als wir erahnen. Sie kämpfen schon längst nicht mehr gegen Drachen und sie erobern auch keine Burgen mehr. Wohl aber kämpfen sie noch immer um Leben und Tod. Es gibt sie tatsächlich mitten unter uns, nur verstehen sie sich nicht unbedingt selbst als Ritter und anscheinend wissen nur wenige Eingeweihte überhaupt, dass diese Männer und Frauen in der der Tradition der Ritter stehen. Eine Tradition, die schon fast 1000 Jahre zurückreicht.

Es begann in Jerusalem, als der (Selige) Gerhard von Sasso einen Ritterorden gründete. Ursprung dieses Ordens war ein kleines Haus in der Nähe der Grabeskirche. Wann und durch wen dieses Haus nun zu einem Pilgerhospiz umgebaut wurde, ist nicht ganz geklärt. Nur eines steht fest: Als die Kreuzfahrer 1099 Jerusalem erobern, da steht dieses Hospiz schon. Für seine Zeit hatte es einen außerordentlichen medizinischen Standard entwickelt, vor allem im Bereich der Hygiene und der Versorgung der Kranken. Und ebenso ungewöhnlich: Diejenigen, die sich da zu den Kranken hinabbeugten und sie umsorgten, waren nicht irgendwelche Diener, sondern adelige Ritter. Innerlich getragen waren (und sind sie bis heute) von dem Bibelwort, dass uns in den Armen und Kranken Jesus Christus begegnet.

Schon bald gingen die Ritter einen Schritt weiter: Statt die Pilger nur am Ziel ihrer Pilgerschschaft zu pflegen, versuchen sie nun auch, die Pilger auf ihrem Pilgerweg zu schützen. Zur Pflege kommt somit der Kampf zum Schutz der Pilger hinzu: tuitio fidei et obesequium pauperum - "Bezeugung des Glaubens und Hilfe für die Armen" - das wird der Leitsatz dieses Ritterordens, der sich nach Johannes dem Täufer als "Orden des seligen Johannes von Jerusalem" bezeichnet, oder kürzer und bekannter: als Johanniter.

Es ist diese Mischung aus Krankenpflege und mutigem Kampf, die die Johanniter so berühmt machen. Und zugleich sind sie die ersten, die ein internationales Netzwerk sozialer Dienste aufbauen. Schon bald finden sich zahlreiche Ordensniederlassungen in ganz Europa, werden an den großen Pilgerwegen Hospitäler gegründet, übernehmen sie Burgen, um die Pilger auf ihrer Pilgerfahrt zu schützen. Gerade das sichert ihr Überleben, als 1291 Outremer, der Traum vom Kreuzfahrerstaat endgültig mit dem Fall von Akkon zuende ist. Die Johanniter müssen das Helige Land verlassen, finden zunächst für kurze Zeit Asyl auf Zypern, dann neue Heimat auf Rhodos. Hier bauen sie die Insel zur Festung aus und sind dem Osmanischen Reich ein Stachel im Fleisch. Über zwei Jahrhunderte hinweg sichern die Johanniter von Rhodos aus das Mittelmeer und damit Europas südliche Küste. Die Johanniter schulen um: Aus den Rittern hoch zu Ross werden Marinesoldaten, die das Mittelmeer wie kein anderer kennen und gleichsam geachtet wie gefürchtet sind. Doch 1522 fällt Rhodos und nun erhalten die Johanniter einen letzten Zufluchtsort: Malta. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen: Malta wird zur Festung ausgebaut und bald sichern Galeeren mit der Flagge der Johanniter wieder das Mittelmeer. Suleiman der Prächtige, der die Johanniter nach ihrem heldenhaften Kampf auf Rhodos noch mit Respekt abziehen ließ, möchte 1565  reinen Tisch machen und die Ritter endgültig vernichten. Doch die Ritter auf Malta sind zäh, leisten der großen osmanischen Übermacht vehementen Widerstand und halten aus: Suleimans Versuch, die Insel zu erobern und die Johanniter zu vertreiben, wird zum Debakel für seine Tuppen, die sich schließlich geschlagen zurückziehen müssen. Jetzt schaut ganz Europa voller Respekt auf diese Ritter, die endgültig die Gefahr einer türkischen Invasion über das Mittelmeer gebannt haben. Die Ritter auf Malta werden als Retter Europas geehrt und sind spätestens ab jetzt als Malteser bekannt.

Doch der Ruhm verblasst: Mit dem zunehmenden Verfall des Osmanischen Reiches schwindet auch die Bedeutung der Malteser. Die Gefahr aus dem Osten scheint gebannt. Die Entdeckung der Neuen Welt lenkt den Blick der europäischen Mächte schon bald nach Westen, zudem zerfällt Europas Einheit durch die Wirren der Reformation. Der Malteserorden erscheint bald nur noch als ein Relikt aus Kreuzfahrerzeiten. 1798 besetzt Napoleon Malta ohne große Gegenwehr. Der bis dahin souveräne Orden verliert sein Territorium und irrt nun die nächsten Jahre heimatlos durch Europa, bis er sich schließlich in Rom niederlässt. Es scheint, als gäbe es keinen Bedarf mehr an Rittern.

Und doch wird dieser Verlust der territorialen Souveränität zum Segen für den Orden, der sich nun wieder stärker auf den Dienst an den Kranken konzentriert und gerade dadurch zu neuer Blüte erwacht. Der Orden überlebt - bis heute. Nach vielen Wirrungen und auch nach großen Opfern in den zahllosen Kriegen, bilden sich in vielen Ländern eigene Hilfdienste, die mit dem Orden eng verbunden sind. In Deutschland wird 1953 der Malteser Hilfsdienst (MHD) ins Leben gerufen. Aus Rittern werden Retter: Die Helfer und Mitarbeiter stehen in direkter Tradition der Malteserritter bzw. der Johanniter, sind gewissermaßen die letzten Ritter.

Ihr Kampf ist noch immer ein Kampf um Leben und Tod, nur kämpfen sie nicht mehr mit Schwert und Lanze, sondern mit moderner Technik, mit Defibrillator und Infusionen. Tag für Tag erfüllen sie auf unterschiedliche Weise das obsequium pauperum in ihrem Leitsatz: Und nach wie vor gilt: Sie müssen in kritischen Situationen Ruhe bewahren, Mut beweisen und beherzt zugreifen. Ritter und Retter liegen so nahe beieinander.

Selbst in kirchlichen Kreisen ist erstaunlich wenigen bekannt, dass der Malteser Hilfsdienst eine katholische Organisation ist. Dabei ist es um so wichtiger, dass die vielen Helfer in ihrem Dienst geschätzt und unterstützt werden, damit neben dem Dienst für die Kranken und Verletzten auch der erste Teil des Leitsatzes gelebt werden kann: die tuitio fidei, die Bezeugung des Glaubens.

Heute, lieber Bischof Gellert, vertraue ich dir daher die Helfer deines Kollegen und Namensvetters an: Zum Heiligen Bischof Gerhard von Sagredo gesellt sich der Selige Bruder Gerhard: Dass wir als Kirche den Blick für diejenigen nicht verlieren, die in unserem Namen den Kranken und Armen dienen, dass wir ihnen Heimat und Beistand bieten, das ist mir ein Stoßgebet zum Himmel wert: Heiliger und Seliger Gerhard, bittet für uns!

Sonntag, 13. März 2011

Doch: Ich bin verboten gut!

Der Frühling kommt, die Fastenzeit ist da und schon bald nehmen wir Ostern und die Erstkommunion in den Blick. Und wie jedes Jahr zu dieser Zeit werden die längstvertrauten Fragen gestellt werden: "Wo sind denn die Kommunionkinder? Warum kommen die nicht in die Kirche?"
Und dann erwartet man die Antwort aller Antworten, oder besser noch: die Lösung aller Fragen und Probleme. Es muss doch zu schaffen sein! Wir müssen das doch hinbekommen! Wir müssen so gut werden, dass die gerne kommen und bleiben, die Kinder, ihre Eltern und alle anderen auch. Und wenn sie eben nicht kommen, dann haben wir was falsch gemacht. Dann haben wir sie nicht gepackt, dann haben wir es nicht geschafft, ihnen den Sinn der Heiligen Messe so zu erklären, dass sie jetzt ihr Leben lang jeden Sonntag in der Kirchenbank sitzen und die Eltern sich am besten gleich in tausend Gruppen engagieren und natürlich als Kandidaten für den Pfarrgemeinderat zur Verfügung stellen.

So geht das seit Jahren. Wie die Schlange auf das Kaninchen, so starren wir regelmäßig auf die Zielgruppe "Sakramentenpastoral". Heißt im Klartext: Wir hoffen, wir erwarten das geradezu Unmögliche, dass nämlich Menschen, die bisher wenig mit uns zu tun hatten, deren Glaubenswissen in vielen Fällen äußerst gering ist und die ihren Lebensrhythmus auch schon längst organisiert haben, sich plötzlich aufgrund der Kommunion- oder Firmvorbereitung in aktive, in beständige Gemeindemitglieder verwandeln. Und wenn das nicht geschieht, dann schauen wir schuldbewusst nach unten und sagen: "Mea culpa, ich habe es nicht geschafft!" Schon wieder nicht, auch in diesem Jahr, in diesem Kurs nur wenig Erfolg gehabt.

Also dreht man an der pastoralen Schraube: Noch eine Aktivität mehr in den Kurs einbauen, noch einen tollen Programmpunkt, noch mehr Termine, mehr Aufwand, mehr Action und stets auf dem neuesten Stand der Technik! Der Verantwortliche wird zum Medienallrounder mit spirituellem Tiefgang: Er soll fröhlich sein und freundlich zu jedermann, soll mit den Kindern herumtoben, Gitarre spielen und singen, tolle Spiele kennen, unzählige Basteltechniken aus dem Kopf beherrschen, muss sich mindestens mit Diaprojektor und Overhead auskennen, besser noch mit Laptop und Beamer, kennt seine Legematerialien in und auswendig und weiß genau, wie viele rote, blaue, grüne und sonstige Tücher dazu gehören. Perfekter Umgang mit Egli-Figuren wäre auch nicht schlecht. Und natürlich Methodenvielfalt: Bibliodrama, Bibliolog, Gruppen-, Stationen- und Paararbeit, am besten auch noch je nach Lernstand differenzierte Arbeitsaufträge. Außerdem muss er lustig sein und bei Kindern und Eltern gleichermaßen gut ankommen, wobei er keineswegs zu fordend und streng sein darf. In jedem Fall muss er ein supertoller Geschichtenerzähler sein. Das müsen nicht unbedingt die Geschichten der Bibel sein, sondern es darf selbstverständlich auch eine der vielen, vielen putzigen Symbolgeschichtlein sein, die wenig Tiefgang, dafür aber eine große Verbreitung haben. Und das Wichtigste überhaupt: Er muss für alles und jeden Verständnis haben.

Und so habe ich in den letzten Jahren immer wieder am Rädchen gedreht und z.B. die Kommunionvorbereitung geradezu perfektioniert. Provokant selbstbewusst stelle ich fest: Mein Kurs kann sich sehen lassen: Kommunionkindertage am Anfang und am Ende, ansprechende Mappe, Ausflug ins Kloster, HolyWins statt Halloween, Übernachtung im Pfarrheim, Anbetung, dreitägiger Aufenthalt in einem Jugendhaus, Ausflug in den Dom, Grillfest, Adventsfeier und Gruppenstunden, die wirklich in die Tiefe gehen. So weit so gut. Den Kindern macht es Spaß. Hinzu kommen noch die vielen anderen Angebote: Familien- und Kindergottesdienste, Krippenspiel und Gruppenstunde.

Und dennoch: Die Frage bleibt bestehen. Wo sind sie geblieben? Aber anders als in den letzten Jahren werde ich dieses Mal nicht sagen: "Ich habe, wir haben es wieder nicht geschafft!", um dann wieder und wieder zu überlegen, ob ich dem Kurs noch ein weiteres Highlight hinzufüge.

Nein, meine Arbeit ist gut. Und die Gemeinde auch. Dass so wenige bleiben - davon bin ich inzwischen überzeugt - hat kaum was mit uns zu tun. Denn der allgemeine Trend geht zur immer größer werdenden Unverbindlichkeit. Die Feuerwehr in Hessen verliert derzeit pro Jahr eintausend Helfer - warum sollte es der Kirche anders gehen? Unsere Kommunionkinder, ihre Familien, die Firmlinge, diejenigen, die uns für Kasualien in Anspruch nehmen, sie alle haben zum größten Teil ihr Leben schon ganz anders organisiert. Und sie sind nur teilweise bereit, nun alles für die Kirche umzuwerfen. Höchstens für eine bestimmte Zeit, aber auf keinen Fall verbindlich. Verbindlichkeit ist out, man engagiert sich in Projekten, löst die Zehner- statt der Dauerkarte.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich plädiere nicht dafür, diesen Zustand hinzunehmen. Wir sind kein x-beliebiger Verein. Bei uns geht es nicht um Tore, Punkte und den Tabellenplatz. Bei uns geht es um unendlich viel mehr: um das Heil der Seele, um die Beziehung zu Gott. Daher dürfen wir selbstverständlich nicht hinnehmen, dass so viele der Hl. Messe fern bleiben, denn hier erhält die Seele in der Begegnung mit Christus in seinem Wort und in Gestalt von Brot und Wein Nahrung für den Weg zum Himmel. Das müssen wir um der Menschen willen mit dem gebotenen Ernst verkünden - wobei anzumerken ist, dass viele aus den eigenen Reihen das auch nicht mehr so dramatisch sehen, sondern den Gottesdienst unter der Rubrik "spirituelles Wellnesangebot" einordnen. Da geht man dann hin, wenn man es braucht und auch nur, wenn es einem was bringt.

Aber ich möchte uns ein wenig unseres Selbstbewusstseins zurückgeben: Es liegt nicht automatisch (nur) an uns. An unseren Angeboten oder Materialien und Konzepten. Wir müssen uns nicht jeden Schuh anziehen, sondern dürfen biblisch gesprochen auch selbstbewusst den Staub von den Füßen schütteln und weiter ziehen (Mt 10,14). Sicher: wir müssen immer wieder selbstkritisch sein, auch was unsere Verkündigung angeht. Aber wir müssen uns nicht unser eigenes Gutsein verbieten, nur damit die anderen nicht schlecht sind. es ist eine traurige Tatsache: Es gibt Häuser, in denen man uns nicht hören will, oder zumindest nicht alles, was wir sagen. Oder auch nur für eine bestimmte Zeit. Ganz gleich, mit welchem Aufwand und welchen Methoden und Konzepten wir versuchen, die Leute zu erreichen.

Ich rufe die in der Pastoral Tätigen auf, weiterhin sorgfältig und mit großem Engagement zu arbeiten, aber sich nicht nicht immer wieder den Frust zu holen. Manfred Lütz würde wahrscheinlich bei mancher PGR-Sitzung auf die Tagesordnung schauen und die Punkte 1-4 als "sorgfältig geplante Frustration" bezeichnen. Vornehmlich wohl diejenigen, die mit "Rückblick" beginnen, weil die sich allzuoft mit bloßen Zahlen beschäftigen. Wer den Erfolg der Kommunion- oder Firmvorbereitung daran misst, wie viele in der Kirchenbank sitzen, der wird schon während (!) des Kurses gefrustet sein und erst recht danach!

Generell stellt sich die Frage, ob Zahlen überhaupt ein Kriterium sein können für die Kirche und ihren Auftrag, das Evangelium zu verkünden. Die Zahlen gehen eindeutig zurück - nicht nur bei uns. Gerade kleinere Pfarreien in ländlichen Gebieten müssen sich von dieser Pastoralmathematik befreien, denn sie erzeugt bei denen, die "noch übrig sind" nur Frustration. Es könnte daher sehr hilfreich sein, den Blick zu weiten: Weg von der Gruppenpastoral der Pfarrgemeinde hin zur gesamtkirchlichen Weite.

Zu Zeiten des Hl. Gerhards gab es keine Gruppenpastoral im heutigen Sinne: Es gab die Seelsorge, die immer eingebunden war in das Gesamtgefüge der Kirche. Dass sich unser Blick wieder weiten möge, das ist mir ein Stoßgebet wert: St. Gellert hilf!