Mittwoch, 7. September 2011

Weihrauch & Kuhstall

Das fiel mir auf: Im Darmstädter Echo wurde am 30.08. über einen evangelischen Gottesdienst im Landkreis Dieburg (Hippelsbach) berichtet. Das Besondere: Der Gottesdienst fand im Kuhstall statt. Und er hatte auch ein eigenes Thema: "Tierschutz". Sogar ein Junge wurde getauft. Des weiteren wurde berichtet, dass die Kühe sich von dem Gottesdienst nicht stören ließen.

Ungefähr zur selben Zeit hatte ich mit meinem Referendar ein Gespräch über Liturgie und Mystagogie: Wie kann man Menschen zur Liturgie führen, ihnen die Schönheit der Riten und Symbole nahe bringen, ihnen helfen, Liturgie mit Leib und Seele zu feiern?

Passenderweise ging es in dem Gespräch konkret um Weihrauch, seine Bedeutung in der Liturgie, die Symbolik  und deren Hintergrund. Für uns Katholiken ist Weihrauch - oder sollte er es zumindest sein - ein Zeichen unserer besonderen Würde. Früher wurde er nur in Tempeln und im Palast des Herrschers eingesetzt, aus ganz profanen Gründen: In Zeiten, in denen  mangels Kanalisation und Dusche der Alltag wortwörtlich zum Himmel stank, wollte man wenigstens den Göttern und dem Kaiser den Wohlgeruch des Weihrauchs gönnen. Weihrauch war ein Zeichen der Wertschätzung und auch das im wahrsten Sinne des Wortes, war er doch aufgrund einer aufwändigen Produktion und der langen Transportwege sehr teuer. Für den Normalsterblichen gab es keinen Weihrauch.

In der Bibel hat Weihrauch noch andere Bedeutungen: Zum einen ist er natürlich auch hier ein Zeichen der Göttlichkeit. Deshalb bringen die Hl. Drei Könige Weihrauch an die Krippe und erfüllen so den einfachen Stall mit göttlichem Duft. Der Weihrauch macht deutlich, dass durch die Gegenwart des Gottessohnes der einfache Stall zum wahren Tempel geworden ist.
Und dann gibt es da noch die bekannte Stelle aus Psalm 141: Wie ein Rauchopfer steige mein Gebet vor dir auf. Hier wird der Weihrauch zur Verbindung zwischen Himmel und Erde: Er zieht uns aus der Schwere des Alltags geradezu spielerisch in die Höhe zum Himmel hinauf. Das ist Liturgie: Der Aufstieg des Menschen aus dem Irdischen ins Himmlische.

Ein Gottesdienst im Kuhstall? Mit dem Thema "Tierschutz"? Das ist für mich befremdlich: Das Thema jedes Gottesdienstes ist immer Gott selber. Gottesdienst ist keine Infoveranstaltung oder politische Demonstration. Es geht zunächst um Gott, um seinen Dienst an uns und unsere Antwort an ihn.
Und der Kuhstall? Natürlich: Dahinter steht wahrscheinlich der gut gemeinte Gedanke, dass Gott doch überall in der Welt zugegen ist und besonders dort, wo es uns gewissermaßen stinkt. Und vielleicht wird so mancher ja gerade auf die Krippe und den Stall verweisen, wo es an Weihnachten sicherlich auch nicht nach gut bürgerlicher Festtagsküche duftete.

Aber dabei verkennt man, dass eben gerade durch die Gegenwart Christi dieser Stall aus dem Alltäglichen herausgehoben wurde, was dann ja auch - wie oben erwähnt - durch den Weihrauch deutlich wurde.
All das ist in unserer Liturgie symbolisch ausgedrückt: Wenn der Diakon die Gemeinde beweihräuchert, dann eben genau deshalb, um zum einen die hohe Würde und den unendlichen Wert jedes Getauften deutlich zu machen. Aber auch, um unser Beten nach oben zu ziehen, damit sich unsere irdisch-menschliche Liturgie mit der himmlischen Liturgie der Engel verbindet, wir geradezu in den Himmel gehoben werden.

Ein Gottesdienst im Kuhstall ist gut gemeint, aber schlecht durchdacht. Er zieht uns eben nicht aus dem Alltag empor, sondern lässt uns wortwörtlich mitten im Mist sitzen. Und ob der Junge tatsächlich glücklich ist, wenn er eines Tages erfährt, dass er im Kuhstall getauft wurde? Ist das wirklich die Umgebung, die diesem einmaligen Fest angemessen ist? Wie anders klingt das doch, wenn man mit einem gewissen Stolz und innerer Anteilnahme sagen kann: Getauft in der Kirche St. Michael.

Für Katholiken gehört die Taufe in die Kirche. Aus gutem Grund, denn der Getaufte wird in die Reihe der Gläubigen gestellt, die durch die Zeiten hindurch die Kirche lebendig hielten. Das beginnt mit den Aposteln (symbolisiert durch die Apostelleuchter), geht über den Märtyrer, dessen Reliquien in den Altar eingefügt wurden, bis über die Figuren der Heiligen hinein in die Gegenwart der konkret vor Ort versammelten Gemeinde: Man wird in die Kirche hinein getauft, nicht im Kuhstall einsortiert.

Dahinter steht auch der Glaube, dass unsere Kirche eben auch ein Sakralbau ist: In diesem Sakralbau feiert immer auch die ganze Kirche, die sich dort in jeder Hl. Messe unsichtbar um den Altar versammelt. Das kann kein Kuhstall. Oder eher gesagt: Er passt nicht zu diesem feierlichen Anlass. Kein Mensch käme auf die Idee, die UNO-Vollversammlung in einen Kuhstall zu verlegen, warum also die Vollversammlung der Getauften, der Engel, der himmlischen Scharen und aller Heiligen mit Gott? Und deshalb feiern wir auch für gewöhnlich unsere Gottesdienste dort, wo sie hingehören: in der Kirche, erfüllt vom Duft des Himmels, der uns heiligt und zum Himmel emporzieht.

Natürlich gibt es Ausnahmen und ist der Gottesdienst auf der grünen Wiese auch möglich. Aber dann im entsprechenden Rahmen, wie man es z.B. bei den Weltjugendtagen sehen kann.

Die Gefahr besteht jedoch eher darin, dass man allzu leichtfertig das Gotteshaus heute gegen den Kuhstall, morgen gegen die Bar und übermorgen gegen die Bahnhofshalle austauscht. Sakrale Handlungen brauchen einen sakralen Rahmen - und auch einen sakralen Duft.









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