Samstag, 30. März 2013





Karfreitag: Wo stehst du?

Fragt man unsere Firmbewerber, was sie mit dem Karfreitag verbinden, dann kommt u.a. die Frage: Warum feiern wir diesen Tag eigentlich? Die Spannung ist doch weg! Alle Jahre wieder der gleiche Ablauf: Palmsonntag. Gründonnerstag. Karfreitag und Ostern. Wir wissen doch schon, wie es ausgeht: Ja, Jesus wird wie ein König in Jerusalem empfangen. Ja, Jesus feiert das letzte Abendmahl und danach wird er von Judas verraten. Und ja, wir wissen, dass er dann am Kreuz stirbt. Und welche Überraschung: An Ostern steht er von den Toten auf. Alle Jahre wieder dieselbe Inszenierung. Gut, hier und da ändern sich ein paar Details in der Darstellung, aber das Drehbuch bleibt doch immer das gleiche.
Was auch daran liegt, dass das Drehbuch 2000 Jahre alt ist und heilig. Die Vorlage für das jährlich wiederkehrende Drama der Kar- und Ostertage steht in den  Evangelien, liegt also nicht in unserer Hand.
Also bleibt auch der Ablauf gleich: Jesus wird auch heute nicht vom Kreuz herabsteigen. Keine himmlischen  Heere werden Pilatus und den Hohen Rat in Jerusalem festsetzen. Und, so traurig es ist, auch heute werden wir den Tod des Herrn bedenken und noch nicht die Auferstehung. Aber seien Sie getröstet: Die Auferstehung werden wir morgen Abend feiern. Ganz sicher. Versprochen.
Das ist nämlich das Geheimnis dieser Tage: Sie sind zuverlässig, sie sind planbar. Gott sei Dank ist Gott berechenbar. Zumindest wenn es um Tod und Auferstehung geht. Und so müssen wir uns nicht wie an manch anderen Stellen mit Regisseuren und anderen Künstlern auseinandersetzen, die vielleicht um der Provokation, der Modernisierung der Botschaft wegen oder auch nur weil sie es toll finden, die Geschichte abändern wollen.
Nein, es bleibt wie es ist, oder besser: Es bleibt, wie es war. Seit fast 2000 Jahren eben, seit diesem ersten Einzug in Jerusalem, seit diesem ersten letzten Abendmahl, seit diesem ersten Karfreitag. Es bleibt wie es war. Und morgen wird es eben so sein, wie es war: Auf den Tod des Herrn folgt die Auferstehung.

Die Frage ist berechtigt: Wenn wir das Ergebnis doch kennen, warum dann jedes Jahr dieselbe Aufführung? Dahinter mag auch eine ganz ernsthafte Anfrage liegen: Können wir diese Tage überhaupt innerlich mitvollziehen? Kann man tatsächlich am Todestag Jesu trauern, wenn man doch um Ostern weiß? Oder noch provokanter gefragt: Werden die Schmerzen Jesu am Kreuz nicht erträglicher im Licht der Osterkerze?

Doch hier liegt eine Verwechslung vor: Das Evangelium ist kein Krimi. Ich kenne das zu gut: Da hat man über 600 Seiten Spannung vor sich und manchmal juckt es einen in den Fingern, einfach die letzte Seite zu lesen und zu schauen: Wer überlebt, wer ist der Mörder. Wer das allerdings tut, verdirbt sich den Spaß am Buch.
Anders beim Evangelium: Auch wenn wir den Ausgang wissen, so ist das Ganze jedes Jahr neu. Der Unterschied zum Krimi liegt darin, dass das Evangelium jedes Jahr neu gefüllt wird. Wir sind keine Leser, keine passiven Zuschauer, keine Besucher eines Passionsspieles. Jedes Jahr sind wir ganz aufs Neue und geheimnisvoll in diese dramatischen Tage verwoben. Wir kennen die dramatis personae, die handelnden Personen in diesem heiligen Spiel: Die Menschen auf den Straßen Jerusalems, die heute Hosanna! und morgen Kreuzige ihn! rufen. Wir kennen die Namen der Hauptakteure: Judas, der den Herrn ausliefert, Petrus, der mit dem Schwert dreinschlägt und seinen Herrn dreimal verrät, Pilatus, Kajaphas, Johannes, der als einziger mit Maria unter dem Kreuz aushält, Josef von Arimathäa, der Jesus bestattet, der Hauptmann, der unter dem Kreuz Jesus als den Sohn Gottes erkennt, die Spötter unter dem Kreuz, die Jesus selbst in seinem Leiden kein Erbarmen entgegenbringen. Wir wissen um die zwei, die mit dem Herrn gekreuzigt werden, einer, der ihn verspottet, einer, der in seinem Sterben alle seine Hoffnung auf Jesus setzt. Alle diese Personen und Figuren sind uns vertraut. Vielleicht nicht in allen Details, aber in den Grundzügen.

Und doch fühlt sich jede Karwoche anders an. Denn jedes Jahr finden wir unseren eigenen Platz in diesem heiligen Spiel. Jedes Jahr müssen wir uns entscheiden, wo wir stehen. Denn wir feiern keine Erinnerung an vergangene Tage. Nicht rührselig und sentimental: Weißt du noch, damals, als Jesus verhaftet und gekreuzigt wurde?
Damals? Nein, heute! Unser Feiern ist Gegenwart. Wir sind mittendrin. Vergangenheit und Gegenwart werden eins. Wir wiederholen nichts, aber wir stehen mitten im Evangelium. Und deshalb Jahr für Jahr der gleiche Text und doch anders: Denn Jahr für Jahr muss jeder seinen Platz in diesem Text finden, ihn mit seiner Person füllen und ihm Leben geben.

Wo stehst du? Wer bist du heute? Hängst du neben Jesus am Kreuz und schreist mit ihm deinen Schmerz zum Himmel empor? Voller Spott oder voll Vertrauen, heute noch mit ihm ins Paradies eingehen zu können? Bist du Maria, bist du Johannes, stehst du unter dem Kreuz und trotzt aller Angst? Bist du heute der Hauptmann, der zum Glauben findet? Zweifelst du noch? Bist du einer aus dem Hohen Rat, und fragst dich, warum der, der doch so vielen geholfen hat, sich nun nicht selber helfen will oder kann? Bist du Judas, dramatisch verstrickt in diesen Tag: Hast du den Herrn aufs Kreuz gelegt? Bist du Petrus, felsenfest von dir überzeugt und heute feige abgetaucht in die Dunkelheit?

Wo stehst du? Wer bist du? Bist du Pilatus, lebst du im Irrglauben, deine Hände wären rein und deine Weste weiß? Bist du Josef von Arimathäa, fest entschlossen, wenigstens den allerletzten Dienst zu vollziehen, und deinen Herrn würdig zu begraben? Oder bist du ein unbeteiligter Zuschauer, einfach nur verstört, verzweifelt, ratlos, wie es soweit kommen konnte?

Jeder von uns hat seinen Platz in diesen dramatischen Tagen und diesem dramatischem Geschehen. Dieser Platz ist nicht festgefügt, nicht wie in einem Passionsspiel, wo die Rollen für ein Jahr verteilt werden.  Unsere Rolle ändert sich vielleicht von Jahr zu Jahr, je nachdem, in welcher Lebensphase wir sind. Wer trauert, fühlt sich dem Gekreuzigten näher, als jemand, der gerade ganz oben auf dem sozialen Siegertreppchen steht. Unsere Rolle kann sich aber auch stündlich wechseln: Jeder von uns  füllt diese dramatischen Geschichten mit seinem Leben. Und wenn wir nachher nach vorne kommen, um das Kreuz zu verehren, dann werden wohl kaum zwei von uns das gleiche dabei denken und empfinden. Sein Kreuz wird zu unserem Kreuz, sein Leiden verbindet sich mit unserem Leid, und seine Hoffnung auf Auferstehung, auf neues Leben, wird auch zu unserer Hoffnung.

Weil sich unser Leben immer wieder wandelt, brauchen wir diese scheinbar unwandelbaren Kar- und Ostertage. Damit in der Unbeständigkeit unseres Lebens eines sicher, fest und verlässlich bleibt: Auf das Hosanna! folgt das Kreuzige ihn!, und auf das Es ist vollbracht das freudige Er ist auferstanden!.

Mittwoch, 27. März 2013

Crash


Der Anruf kam mitten in die Familienidylle: Sonntagnachmittag. Nach den Gottesdiensten und nach einer Tauffeier nun gemütliches Zusammensein im Kreise der Familie. "Hast du Zeit, um mit auf die Autobahn zu kommen?" - das war keine Frage, das war eine Bitte. 

Verkehrsunfall auf der Autobahn: Eine Tote, eine Schwerverletzte, ein Leichtverletzter und einer, der auf wunderbare Weise gar nichts abbekommen hat. Und dann noch die Verursacher: Keiner weiß, wie es passiert ist, aber innerhalb von Sekunden wurde ein junges Leben ausgelöscht. Ein dummer, schrecklicher Unfall.

Drei Notfallseelsorger im Einsatz: Meine Kollegen bleiben bei der Polizei. Kümmern sich um die Verursacher und die Ersthelfer vor Ort.

Ich fahre mit der Polizei ins Krankenhaus. Heimvorteil: Ich kenne die Notaufnahme durch den Rettungsdienst, kenne mich auch einigermaßen in der Klinik aus. Vieles ist mir vertraut, viele Gesichter sind mir bekannt. Und zum Glück treffe ich dort die Notärztin, von der ich insgeheim hoffte, dass sie an diesem Nachmittag Dienst hat. Ein Segen in weiß.

Meine Aufgabe an diesem Tag: Immer wieder eine Todesnachricht überbringen. Zuerst dem Bruder sagen, dass die Schwester den Unfall nicht überlebt hat. Dann dem Vater, dass seine Tochter tot ist. Und mittendrin die Polizei, die selbst im Krankenhaus Fragen stellen muss.

Die Familie kommt nicht von hier, wohnt im Süden Deutschlands. Sie haben Verwandte im Ruhrgebiet besucht und waren nun auf dem Weg nachhause. Die Tochter hatte sich erst vor kurzem verlobt. Der Schmerz über ihren Tod ist unermesslich. Der Vater, ein gestandener Mann, lässt seiner Trauer freien Lauf. Auch der Sohn ist fassungslos. 
Und doch geht jeder seinen eigenen Weg: Dann wird Notfallseelsorge ganz profan. Nicht das helfende Wort ist jetzt nötig, sondern die Suche nach einer Zigarette, der Gang vor die Tür, wo man einfach schweigend nebeneinander steht während einer raucht.  Das wird an diesem Tag zu einem meiner Hauptdienste. Ich bin ständig in Bewegung. In die Notaufnahme, zum Eingang, zur Station, nach draußen und wieder zurück. 

Der Unfall entwickelt eine ganz eigene Dynamik: Die Familie hat einen Migrationshintergrund. Dritte Generation, islamisch, in Deutschland angekommen und zuhause. Kultursensible Notfallseelsorge ist gefragt: Muslime haben eine ganz andere Bestattungskultur, andere Riten und vor allem andere Zeitabläufe.

Und in ihrer Kultur ist das soziale Netz weit und dicht gespannt: Noch während wir in der Klinik im kleinen Kreis tastend erste Schritte in der Trauer gehen, setzt sich im Hintergrund die Verwandtschaft in Bewegung. Irgendwann im Laufe des Abends werden sie aus Nord- und Süddeutschland eintreffen. Keiner weiß so recht, wer kommt und wie viele kommen. Die Reaktion ist verständlich: Wer von uns würde nicht alles stehen und fallen lassen, wenn irgendjemand in der Familie oder im engen Freundeskreis ein solches Unglück widerfährt? 

Und doch muss man sich vorbereiten: Wer kommt da? Wie viele? Wo sollen die übernachten? Was geschieht, wenn plötzlich zehn bis fünfzehn Menschen mit einem ganz eigenen kulturellen Hintergrund und einer eigenen Sprache zusammen kommen? Voller Trauer in einem viel zu kleinen Zimmer.

Die Stunden vergehen. Diese Zeit bis zum Eintreffen der Verwandten gibt uns Zeit für behutsame Gespräche. Mal ganz profan über den Beruf, die Familie, über die Kultur und die Sprache, über den bloßen Alltag. Und dazwischen immer wieder der Schmerz, die Tränen und die Trauer. Wie auf einer Achterbahn geht es auf und ab. Seelsorge wird zur Wegbegleitung in wörtlichster Bedeutung: Im Laufen durch das Krankenhaus löst sich was, kommt auch Bewegung in die Seele. Und manchmal ist es wichtig, einfach stehen zu bleiben und zu schweigen.

Am Abend kommen die ersten Verwandten. Ich versuche, die Todesnachricht behutsam zu überbringen. Aber das ist utopisch - wie kann man überhaupt behutsam vom plötzlichen Tod eines Menschen sprechen? Für mich ist die verstorbene junge Frau fremd. Nun stehe ich der Familie gegenüber, den Menschen, die sie aufwachsen sahen und die sie liebevoll behüteten. Und die sie jetzt doch plötzlich und unerwartet auf so grausame Weise verloren haben. Verständlich, dass der Schmerz und die Trauer ihren Raum fordern. Auch laut und heftig. Nicht ganz unproblematisch in einem Krankenhaus, wo noch andere Patienten liegen, die vor allem abends Ruhe brauchen. 
Irgendwann stehe ich vor dem Eingang der Klinik, um die ankommenden Verwandten abzufangen. Wir suchen einen Ort, wo laut getrauert werden kann, damit wir dann so weit es geht auf der Station Ruhe finden.
Bis zum späten Abend hat sich das Zimmer gefüllt: Vierzehn Personen sind gekommen, alle in einem Raum. Die Stimmung schwankt zwischen Trauer und aufbrausender Aggression: Auch das ist unserer Kultur fremd, wenngleich auch verständlich. Der Blick richtet sich auch auf den Verursacher des Leids. 

Jeder im Raum hat seine ganz eigene Geschichte: Da ist mittendrin und fast allein der Verlobte mit seiner Mutter. Er trauert um die verlorene Braut, sie um die Schwiegertochter, aber auch für ihren Sohn. Da ist der Bruder, der mit seiner Schwester schon manche schwierige Lebenssituation gemeistert hat, mit ihr gemeinsam eine Firma gründete und nun nicht weiß, wie es weiter gehen soll. Da sind Cousins, Freunde, Tanten, Onkel. Immer wieder knüpfe ich bei den verschiedenen Personen an, manchmal reicht ein Blick, ein Wort, eine sanfte Berührung an der Schulter. Ich werde zum Vermittler zwischen den Trauernden und den Krankenschwestern, zum Anwalt zweier Kulturen und ihrer unterschiedlichen Lebensweisen.
Am späten Abend finden wir einen Kompromiss: Gegen Mitternacht zieht sich der größte Teil der Angehörigen in einen Wartebereich zurück. Nur ein Onkel bleibt beim Vater und seinem Sohn.

Zehn Stunden sind seit der Alarmierung vergangen. Irgendwann mittendrin fragte mich die Ärztin, wie es mir geht und besorgte mir einen Kaffee. Es sind solche kleinen Gesten, die auch Notfallseelsorger gut tun.
Am Ende habe ich mich von der Familie verabschiedet. Irgendwann im Laufe des Abends hat jemand auf mein Collarhemd gezeigt und mich gefragt: "Sie sind von der Kirche?" Da war kein Misstrauen, keine Ablehnung, sondern sehr viel Respekt zu spüren. Als ich mich nun verabschiedete, sagte ich: "Ich bin kein Moslem, sondern Christ, aber ich frage Sie trotzdem,ob ich für Sie beten darf." Ich hatte mir diese Frage lange vorher überlegt. Die Antwort war überwältigend: Der Vater nahm meine Hand, hat sich unter Tränen bei mir bedankt. Sein Händedruck und sein Blick sagten mehr als Worte hätten sagen können.

Ich habe viel gelernt: Über diese andere Kultur, über Hierarchien innerhalb einer weit verzweigten Familie, über ihre Riten, Gesten und unausgesprochenen Regeln. Ich habe gelernt, dass auch Leid über alle Grenzen hinweg verbindet. Und über meine Vorurteile.

Draußen auf dem Flur begegne ich noch einmal der Ärztin. Sie hat einen langen Tag hinter und wohl noch eine lange Nacht vor sich. Es war auch ihr Einsatz: Immer wieder hat sie nach ihrem Patienten geschaut, immer wieder haben wir uns zwischendrin über die nächsten Schritte abgesprochen. Immer wieder sind wir uns auf dem Flur begegnet. Aber am meisten bleibt mir dieser Kaffee in Erinnerung: Eine Tasse Seelsorge für den Seelsorger. Hat gut getan.









Dienstag, 26. März 2013

Es kann nur einen geben

Nein, tut mir leid: Aber das hätte nicht passieren dürfen. Bei aller Versöhnung mit dem Rücktritt Benedikts und auch bei aller Begeisterung für seinen Nachfolger Franziskus. Dass die beiden sich begegnen, das ist ja auch in meinen Augen noch in Ordnung. Aber dass man diese Begegnung medial inszeniert, zeugt von wenig Sensibilität. Da hat jemand die Macht der Bilder unterschätzt.


Denn bislang galt auch für den größten Skeptiker: Ein Papst ist zurücktreten - ein neuer wurde gewählt. Habemus papam - wir haben einen Papst. Die Betonung liegt auf dem einen! Die Angst und Sorge, dass man durch den Rücktritt Benedikts plötzlich zwei Päpste in der Kirche habe, wurde nun durch die Bilder von der Begegnung der beiden nur unnötig befeuert. Was nutzen da Worte? Der emeritierte Papst hat dem neuen Papst Gehorsam versprochen? Die Bilder zeigten weltweit: Da sitzen zwei Päpste.


Früher war das eine Scherzfrage: Wie grüßen sich zwei Päpste? Und die Antwort: Überhaupt nicht, es gibt nur einen. Nun hat uns die Medien aber gezeigt, dass es zwei gibt oder geben könnte. Für einen mehr oder weniger ahnungslosen Nichtkatholiken war nicht erkennbar, wer hier gerade emeritiert und wer regiert. Zwei Päpste: Beide in weiß, beide am Beten, beide in gleicher Position. Und an dieser Stelle war dann die Demut des Franziskus doch ein wenig fehl am Platze. Denn indem er auf jedweden päpstlichen Vorrang verzichtete, verstärkte er den Eindruck noch, dass sich hier zwei auf Augenhöhe gegenüber stehen. 

In der Geschichte der Kirche gab es immer wieder mal zwei, manchmal sogar noch mehr Päpste. Die Kirche hat stets darum gerungen, diesen unseligen Zustand zu beenden und den wahren Nachfolger des Apostel Petrus zu bestimmen.

Ich bin so aufgewachsen. Es kann nur einen geben:  nur einen Highlander am Ende, nur einen Rudi Völler. Das sollten wir auch in der Kirche beherzigen und auf Bildern nicht zweimal zeigen, was es nur einmal gibt.




Dienstag, 19. März 2013

Versöhnt

Ich gebe es zu: Der Rücktritt Benedikt XVI. kam natürlich auch für mich überraschend. Und er hat mich ins Grübeln gebracht. Vieles wurde davon in der Presse dazu geschrieben: Es gab Befürworter und natürlich auch Kritiker.

Manches konnte ich gut nachvollziehen: Das Papstamt ist die letzte sakrale Institution unserer Welt und mit geradezu himmlischer Würde verbunden. Vieles konnte sich in der Kirche verändern, aber der Papst war immer der Fels in der Brandung. Ganz gleich, wie sehr die inner- und außerkirchlichen Wellen das Kirchenschiff auch in Bedrängnis brachten - der Papst schien unantastbar, schien fest gegründet als ewiger Garant der Kirche: "Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen" (Mt 16,18). Ein Rücktritt ist bei solchen gewichtigen Zusagen nicht denkbar, schien bisher kategorisch ausgeschlossen. Erst recht nach einem Papst wie Johannes Paul II., der auf die Frage, ob er aufgrund seiner fortgeschrittenen Krankheit und seines offensichtlichen Leidens nicht an Rücktritt denke, eben zu Antwort gab, dass Christus ja auch nicht vom Kreuz herabgestiegen sei.


Und doch wissen wir: Alt werden will jeder, alt sein hingegen niemand. Für Benedikt XVI. war die Krankheit seines Vorgängers sicherlich auch eine Mahnung: Die moderne Medizin vermag vieles zu leisten und kann einen Menschen mittels teurer Geräte fast unbegrenzt am Leben halten. Eben auch einen Papst. Diese medizinische Entwicklung bringt viele ethische Fragen mit sich und die immer wieder aufflammende Diskussion um Sterbehilfe zeigt, dass das Problem schon längst mitten im Alltag unserer Gesellschaft angekommen ist: Nicht jeder, der am Leben gehalten wird, nimmt auch voll und ganz am Leben teil. 
Ein dementer Papst? Ein Papst im Koma? Pflegebedürftig? Bettlägrig? Was dann? Niemand würde ihm das Recht auf Leben oder seine Würde absprechen, wohl aber die Fähigkeit eine Kirche mit über einer Milliarde Katholiken zu leiden. Es mag sein, dass Benedikt XVI. gerade diese Problematik vor Augen hatte und sich daher gewissermaßen rechtzeitig aus der Leitung zurückzog. Andere wiederum sehen genau darin eine Zeichen des Kleinglaubens: Wen Gott zu einem Dienst beruft, den beruft er zur gegebener Zeit auch wieder ab. Aber vielleicht war dem Rücktritt ja genau diese innere Abberufung vorausgegangen? Eines ist sicher: Benedikt hat diesen Schritt nicht leichtfertig unternommen.


Seit Mittwoch, dem 13.03.2013 haben wir nun einen neuen Papst. Und bis dahin gehörte ich eher zur Partei der Rücktrittsskeptiker, sah vor allem den Schaden für das Amt, das nun von vielen nur noch als ein gewöhnlicher Job mit Rentenanspruch gesehen wurde. Aber schon in den Tagen zuvor wurden auch in mir die Weichen in eine andere Richtung gestellt. Ganz sanft fing es an,nämlich als Benedikt XVI. seinen Rücktritt näher erläuterte: Aus Papst Benedikt XVI. ist eben nicht wieder Joseph Ratzinger, sondern einfach Benedikt geworden. Aus dem Lenker und Leiter, aus dem Theologen und Denker wurde der Mönch und Beter. Er zieht sich zurück, aber eben nicht heraus: Und daher darf er sich in meinen Augen zurecht emeritierter Papst nennen, denn er ist es noch immer: Der Papst des Gebetes, der nun ganz und gar für seine Kirche in die Stille vor Gott tritt. Das ist nach wie vor sein Petrusdienst, eben nur auf eine neue, ganz andere Weise.


Er tut sich damit keinen Gefallen: Er kann seine Rente nicht genießen und einfach in die Alpen fahren. Es kann da draußen in der Welt keine zwei Päpste nebeneinander geben - auch wenn es in der Geschichte zum Leidwesen der Kirche mehrmals vorkam. Benedikt kann nicht irgendwo auftauchen und Vorlesungen oder Reden halten. Kaffefahrten mit dem emeritierten Papst wird es nicht geben. Und umgekehrt wird es wohl kaum Pilgerströme in den Vatikan geben, keine bayerische Blaskapelle unter Benedikts Balkon. Benedikt hat sich selbst in seiner Freiheit eingeschränkt. Es wird sich zeigen, wie viel man von ihm noch sehen und hören wird. Im Grunde genommen folgt er dem Beispiel seines päpstlichen Namenspatrons und zieht sich wie Benedikt von Nursia in die Klosterzelle zurück. Er spricht nicht mehr zur Kirche, sondern betet für seine Kirche.


Das ist ein ganz neuer Gedanke: Ein Papst zum Lenken und Leiten, einer zum Beten. Arbeitsteilung an höchster Stelle. Oder besser noch: Ergänzung im Amt. Nicht dass Papst Franziskus nicht beten würde, aber im hektischen Takt des Vatikans hat er eben auch noch ganz andere Aufgaben. Und schauen wir nur auf unser eigenes Leben: In der Hektik des Alltags ist das Gebet das erste, was geopfert wird, wenn die Termine überhand nehmen.


Ich kann mich mit dem Rücktritt Papst Benedikt XI. versöhnen, weil er das Amt nicht einfach aufgegeben  hat: Sicher setzt er einen neuen Maßstab. Aber eben nicht nur einen Maßstab für den Zeitpunkt und den Anlass  eines Rücktritts, sondern mehr noch für die persönlichen Folgen für den Zurückgetretenen. In der Öffentlichkeit und den Medien ist dieser Aspekt bisher weitgehend unbeachtet geblieben. Und doch wird auch das zum Maßstab für alle weiteren Päpste: Rücktritt ist möglich, aber es kann und darf immer nur ein Rückzug zum Gebet für die Kirche sein.