Dienstag, 27. September 2011

Strafbank

Lassen wir das Ganze im Allgemeinen, damit sich niemand auf den virtuellen Schlips getreten fühlt, dann hört sich das so an: An einem beschaulichen Spätsommertag treffen sich an einem malerischen Ort an der Bergstraße geweihte Herren, um sich auszutauschen. Das machen sie regelmäßig, weil irgendjemand mal festgelegt hat, dass in der Kirche jeder mit jedem im Dialog bleiben muss. Manchmal ist das ja auch ganz sinnvoll, oftmals fragt man sich aber, ob man seine Zeit nicht anders verbringen sollte.
Ein Diakon fiel schon allein dadurch auf, dass er (mal wieder) der einzige mit Collarhemd war. Dass die Runde nicht nur im Hinblick auf modische Vorlieben äußerst heterogen war, zeigte sich dann auch in den folgenden Gesprächen. Am Anfang stand die Frage, ob denn ein Diakon JEDEN Sonntag am Altar stehen muss (!). Es soll ja Pfarrer geben, die das nicht mögen. Und Diakone, die sonntags mal lieber in der Bank sitzen und mit ihrer Familie Gottesdienst feiern wollen.

Nun sind diese Fragen ja schon längst geklärt: Dass Geistliche nicht in der Bank sitzen sollen, hat Rom schon 2004 in seiner Instruktion Redemptionis Sacramentum (Art. 128) angemahnt. Der Geweihte gehört an den Altar. Denn die Weihe ist kein Job, sondern eine Berufung zu einer Lebensform. Der Diakon steht da auch nicht aus Spaß an der Freude, sondern in erster Linie gibt er denen ein Gesicht, für die er diakonisch tätig ist: die Trauernden, die Verzweifelten, die Mutlosen und von Sorgen geplagten, all die nimmt er mit an den Altar ganz nah an das Geheimnis von Eucharistie und Wandlung. Das ist die Aufgabe des Diakons und diese Aufgabe ist nicht nur diakonisch für die Betroffenen, sondern auch missionarisch notwendig für die Gemeinde: Der Diakon ist das Störbild im Altarraum, die optische Verzerrung, mit der die Gemeinde immer wieder auch darauf hingewiesen wird, dass Nachfolge stets auch dienende Nächstenliebe bedeutet.
Dass ein Pfarrer den Diakon einfach mal in die Bank verweist, weil er ihn aus irgendwelchen Gründen nicht am Altar haben möchte, ist kirchenrechtlich fragwürdig und theologisch höchst bedenklich. Wie kann man gemeinsam Gottesdienst feiern und zur Kommunion gehen, wenn man nicht nebeneinander am Altar stehen will?

Es ist auch menschenunwürdig, denn geht man davon aus, dass der Diakon seine Berufung auch wirklich im 7x24Stunden-Modus lebt, dann nimmt man ihn mit seiner Berufung nicht ernst. Und auch den Bischof nicht, der den Mann nach gründlicher Überprüfung seiner Berufung geweiht hat. Letztlich nimmt man damit auch Christus nicht ernst, von dem die Berufung ja ausging.

Noch seltsamer ist das Argument, der Diakon wolle doch sicher mal mit seiner Familie gemeinsam feiern. Gibt es zwischen Altarraum und Kirchenbank einen kilometerweiten Graben? Sind Kirchenbank und Altarraum zwei getrennte Welten ohne jegliche Verbindung? Wohl kaum: Meine Familie und ich feiern doch gemeinsam dieselbe Hl. Messe in derselben Kirche, hören dasselbe Evangelium und empfangen denselben Leib des Herrn. Wer immer auch den Diakon freundlicherweise mit seiner Familie in der Bank vereinen möchte, dem sei gesagt, dass sich der Diakon mit seiner Familie schon so seine eigenen Gedanken gemacht hat, wer wo während der Hl. Messe sitzen soll -sowas klärt man üblicherweise schon lange vor der Weihe. Mal ganz davon abgesehen, dass inzwischen die Mehrheit meiner Familie im Altarraum sitzt, da meine Kinder ministrieren. Konsequenterweise müsste also meine Frau mit unserem Jüngsten in den Altarraum kommen.

Hinter all dem steckt oftmals eine ganz andere Absicht: Es geht gar nicht um die diakonische Familienzusammenführung in der Kirchenbank, es geht vielmehr um den Dienst des Kommunionhelfers. Da gibt es nämlich regelmäßig Probleme. Rein rechtlich ist das natürlich schon geklärt: Auch das steht in Redemptionis Sacramentum (Art. 88, 154): Der Geweihte ist ordentlicher, der Kommunionhelfer hingegen außerordentlicher Kommunionspender, dessen Einsatz auf Notfälle beschränkt ist. In Deutschland hat man  jedoch vielerorts die Not zum Normalfall erklärt. 

Das Verrückte ist die völlig verquerte Argumentation: Man macht sich meistens noch nicht einmal Gedanken darüber, warum man an dieser Unterscheidung zwischen ordentlichem und außerordentlichen  Spender festhält. Man redet nicht über Theologie und ihre normative Umsetzung im Kirchenrecht. Man setzt dem Recht die Barmherzigkeit und dem Amt die Würde des Kommunionhelfers entgegen (von der Würde des Diakons redet keiner): Der getaufte Laie hätte doch einen wichtigen Dienst auszuüben und es sei doch unmenschlich, ihm diesen Dienst zu verweigern. So etwas hört man auch aus dem Mund geweihter Männer. Es geht nicht um Theologie, sondern um pastorale Zweckmäßigkeit, vielleicht auch nur darum, sich keine Konflikte mit den Laien aufzuhalsen und am Ende als Konservativer dazustehen. Also muss man im Konfliktfall (falls der Diakon halsstarrig ist und auf seinen Dienst besteht) zumindest im Dialog bleiben und einen Kompromiss suchen.

Der ist in der Theologie und schon gar nicht im Kirchenrecht nicht vorgesehen. Das Thema steht nicht auf der Agenda eines innerpfarrlichen Dialogprozesses, gehört nicht zur pastoralen Verhandlungsmasse. Denn - man staune - das Gegenteil von Recht ist nicht Barmherzigkeit, das Gegenteil von Recht ist Unrecht. Und Unrecht tut man dem Diakon, von dem man erwartet, dass er seine Weihe mal kurzerhand negiert und sich gefälligst in die Bank setzt und keinen Ärger macht. 

Aber die Theologie sagt was anderes: Wenn der Diakon die Ikone des dienenden Christus sein soll, dann ist doch gerade die Ganzhingabe Christi im Sakrament des Altares der diakonischste Moment überhaupt. Hier geschieht doch Diakonie in Hochform: Der Diakon lebt aus der Eucharistie und indem er die Kommunion spendet, vollzieht er in der Hl. Messe das, was er im Alltag auch leben soll: Den Armen, den Gebeugten, den Trauernden und Verzweifelten Christus bringen. Gottesdienst und Weltdienst fallen hier zusammen. In diesem Dienst kommt das Dienstamt der Kirche voll zum Ausdruck und findet das Sakrament der Weihe seine volle Entfaltung (vgl. Redemtionis Sacramentum, Art. 154)

Wir haben in der Kirche - völlig zu Recht - eine große Hochachtung vor der Würde der Laien und ihres Dienstes. Wer aber das Sakrament der Weihe gegen die (Tauf)würde der Laien ausspielt, der wertet das Weihesakrament zum reinen Formalakt ab. Gemäß dem Motto: Der Kommunionhelfer ist schließlich getauft, der kann das auch. Die Frage ist aber nicht, ob er es kann, sondern ob er dazu beauftragt ist. Man stelle sich eine analoge Situation beim Ehesakrament vor: Abends im Schlafzimmer....der freundliche nette Nachbar: Können kann er schon, aber soll er auch??? Da käme keiner auf die Idee, den Ehemann mal auf die Bank zu verweisen, gemäß dem Motto: Die Eheschließung ist doch nur ein formaler Akt. Und den lieben Nachbarn darf man ja auch nicht in seiner Würde als Mann verletzen.

Wir haben in der Kirche zuweilen einen seltsamen Umgang mit unseren Sakramenten, in dem wir sie verbiegen und zurechtlegen, wie wir es gerade brauchen. Jedes Sakrament ist mit einer ganz konkreten Lebenssituation und einer daraus resultierenden Lebensform verbunden. Man ist nicht teilzeitgetauft, teilzeitgeweiht, teilzeitgefirmt oder teilzeitgetraut. Das Sakrament der Weihe ist mit Rechten und Pflichten verbunden, die sich zunächst aus der Theologie ergeben. Aus unterschiedlichen Rechten und Pflichten eine unterschiedliche Würde abzuleiten, ist mehr als unredlich. In vielen Fällen ist es populistische Kirchenpolitik. Bis in höchste Kreise hinein werden diese theologischen Wahrheiten einfach ignoriert.

Die Eucharistie und die Weihe sind die beiden Sakramente, denen wir in der Kirche derzeit am meisten zusetzen: An der Eucharistie wird gebastelt, sie wird umgeformt, nach Gutdünken und spontaner Laune verändert wie man will. Und die Weihe wird ebenfalls ganz nach Bedarf für wichtig oder nebensächlich erklärt. Interessanterweise am allermeisten von den Geweihten selber oder denen, die für sie Verantwortung tragen. Man freut sich über jeden, der sich weihen lässt, aber ist verstimmt, wenn er tatsächlich auch in aller Konsequenz als Geweihter leben will.

Da bleibt mir nur noch ein Stoßgebet: St. Gellert, hilf!









Mittwoch, 7. September 2011

Weihrauch & Kuhstall

Das fiel mir auf: Im Darmstädter Echo wurde am 30.08. über einen evangelischen Gottesdienst im Landkreis Dieburg (Hippelsbach) berichtet. Das Besondere: Der Gottesdienst fand im Kuhstall statt. Und er hatte auch ein eigenes Thema: "Tierschutz". Sogar ein Junge wurde getauft. Des weiteren wurde berichtet, dass die Kühe sich von dem Gottesdienst nicht stören ließen.

Ungefähr zur selben Zeit hatte ich mit meinem Referendar ein Gespräch über Liturgie und Mystagogie: Wie kann man Menschen zur Liturgie führen, ihnen die Schönheit der Riten und Symbole nahe bringen, ihnen helfen, Liturgie mit Leib und Seele zu feiern?

Passenderweise ging es in dem Gespräch konkret um Weihrauch, seine Bedeutung in der Liturgie, die Symbolik  und deren Hintergrund. Für uns Katholiken ist Weihrauch - oder sollte er es zumindest sein - ein Zeichen unserer besonderen Würde. Früher wurde er nur in Tempeln und im Palast des Herrschers eingesetzt, aus ganz profanen Gründen: In Zeiten, in denen  mangels Kanalisation und Dusche der Alltag wortwörtlich zum Himmel stank, wollte man wenigstens den Göttern und dem Kaiser den Wohlgeruch des Weihrauchs gönnen. Weihrauch war ein Zeichen der Wertschätzung und auch das im wahrsten Sinne des Wortes, war er doch aufgrund einer aufwändigen Produktion und der langen Transportwege sehr teuer. Für den Normalsterblichen gab es keinen Weihrauch.

In der Bibel hat Weihrauch noch andere Bedeutungen: Zum einen ist er natürlich auch hier ein Zeichen der Göttlichkeit. Deshalb bringen die Hl. Drei Könige Weihrauch an die Krippe und erfüllen so den einfachen Stall mit göttlichem Duft. Der Weihrauch macht deutlich, dass durch die Gegenwart des Gottessohnes der einfache Stall zum wahren Tempel geworden ist.
Und dann gibt es da noch die bekannte Stelle aus Psalm 141: Wie ein Rauchopfer steige mein Gebet vor dir auf. Hier wird der Weihrauch zur Verbindung zwischen Himmel und Erde: Er zieht uns aus der Schwere des Alltags geradezu spielerisch in die Höhe zum Himmel hinauf. Das ist Liturgie: Der Aufstieg des Menschen aus dem Irdischen ins Himmlische.

Ein Gottesdienst im Kuhstall? Mit dem Thema "Tierschutz"? Das ist für mich befremdlich: Das Thema jedes Gottesdienstes ist immer Gott selber. Gottesdienst ist keine Infoveranstaltung oder politische Demonstration. Es geht zunächst um Gott, um seinen Dienst an uns und unsere Antwort an ihn.
Und der Kuhstall? Natürlich: Dahinter steht wahrscheinlich der gut gemeinte Gedanke, dass Gott doch überall in der Welt zugegen ist und besonders dort, wo es uns gewissermaßen stinkt. Und vielleicht wird so mancher ja gerade auf die Krippe und den Stall verweisen, wo es an Weihnachten sicherlich auch nicht nach gut bürgerlicher Festtagsküche duftete.

Aber dabei verkennt man, dass eben gerade durch die Gegenwart Christi dieser Stall aus dem Alltäglichen herausgehoben wurde, was dann ja auch - wie oben erwähnt - durch den Weihrauch deutlich wurde.
All das ist in unserer Liturgie symbolisch ausgedrückt: Wenn der Diakon die Gemeinde beweihräuchert, dann eben genau deshalb, um zum einen die hohe Würde und den unendlichen Wert jedes Getauften deutlich zu machen. Aber auch, um unser Beten nach oben zu ziehen, damit sich unsere irdisch-menschliche Liturgie mit der himmlischen Liturgie der Engel verbindet, wir geradezu in den Himmel gehoben werden.

Ein Gottesdienst im Kuhstall ist gut gemeint, aber schlecht durchdacht. Er zieht uns eben nicht aus dem Alltag empor, sondern lässt uns wortwörtlich mitten im Mist sitzen. Und ob der Junge tatsächlich glücklich ist, wenn er eines Tages erfährt, dass er im Kuhstall getauft wurde? Ist das wirklich die Umgebung, die diesem einmaligen Fest angemessen ist? Wie anders klingt das doch, wenn man mit einem gewissen Stolz und innerer Anteilnahme sagen kann: Getauft in der Kirche St. Michael.

Für Katholiken gehört die Taufe in die Kirche. Aus gutem Grund, denn der Getaufte wird in die Reihe der Gläubigen gestellt, die durch die Zeiten hindurch die Kirche lebendig hielten. Das beginnt mit den Aposteln (symbolisiert durch die Apostelleuchter), geht über den Märtyrer, dessen Reliquien in den Altar eingefügt wurden, bis über die Figuren der Heiligen hinein in die Gegenwart der konkret vor Ort versammelten Gemeinde: Man wird in die Kirche hinein getauft, nicht im Kuhstall einsortiert.

Dahinter steht auch der Glaube, dass unsere Kirche eben auch ein Sakralbau ist: In diesem Sakralbau feiert immer auch die ganze Kirche, die sich dort in jeder Hl. Messe unsichtbar um den Altar versammelt. Das kann kein Kuhstall. Oder eher gesagt: Er passt nicht zu diesem feierlichen Anlass. Kein Mensch käme auf die Idee, die UNO-Vollversammlung in einen Kuhstall zu verlegen, warum also die Vollversammlung der Getauften, der Engel, der himmlischen Scharen und aller Heiligen mit Gott? Und deshalb feiern wir auch für gewöhnlich unsere Gottesdienste dort, wo sie hingehören: in der Kirche, erfüllt vom Duft des Himmels, der uns heiligt und zum Himmel emporzieht.

Natürlich gibt es Ausnahmen und ist der Gottesdienst auf der grünen Wiese auch möglich. Aber dann im entsprechenden Rahmen, wie man es z.B. bei den Weltjugendtagen sehen kann.

Die Gefahr besteht jedoch eher darin, dass man allzu leichtfertig das Gotteshaus heute gegen den Kuhstall, morgen gegen die Bar und übermorgen gegen die Bahnhofshalle austauscht. Sakrale Handlungen brauchen einen sakralen Rahmen - und auch einen sakralen Duft.